Ich mag die Neue Juristische Wochenschrift nicht. Den von der Redaktion angenommenen Aufsätzen mangelt es an jeglicher Ästhetik und Fantasie, das Lesen derselben bereitet keine Freude. Und der Versuch, Rechtsprechung in gedruckter Form unters Volk zu bringen, wirkt auf mich inzwischen ziemlich hilflos. Auch mit der haftungsrechtlichen Filterfunktion (BGH, Urteil vom 23. September 2010 – IX ZR 26/09, jurisRdnr. 22) lässt sich eine Daseinsberechtigung dieser Zeitschrift in Zeiten zunehmender Spezialisierung nicht mehr begründen. Gern gelesen und beherzigt habe ich aber ihre seit 1995 bestehende Aufsatzreihe über juristische Bücher des Jahres (zuerst Gerhard Dilcher, NJW 4/1995, …
23. Januar 2013
20. Januar 2013
David gegen Goliath: Ein Gesetz von 1877 als Steinschleuder
Kein Beitrag zur Mollath-Forschung
In dieser Woche wurde eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs anlässlich der Klage eines Kleinanlegers gegen die international bekannte Kredit-Ratingagentur Standard & Poor’s mit Sitz in New York bekannt (BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2012 – III ZR 282/11). Das Handelsblatt und anschließend auch SPIEGEL ONLINE berichteten, die BGH-Richter hätten sich in ihrem Beschluss „auf ein Gesetz von 1877“ berufen, das für klagende Inländer die Zuständigkeit deutscher Gerichte vorsehe. Gemeint waren die Vorschriften des § 24 CPO 1879 beziehungsweise des § 23 CPO 1900, die noch heute in der nur geringfügig geänderten Form des § 23 ZPO …
9. Januar 2013
Meisterliche Ritter
Ein Fundstück
Ritter des Rechts heißen in China Meister des Rechtsstreits (Falko Maxin/Ruomeng Yang, myops 17/2013, 56 [58]). Was zum Lachen gibt es auch im darauffolgenden Beitrag: Die Frankfurter Büchervernichtung. Ein modernes Trauerspiel in Briefen und E-Mail-Auszügen mit kurzen Zwischentexten und einem Nachwort (Regina Ogorek, myops 17/2013, 63—76). Eine herrliche Zeitschrift.
30. Dezember 2012
Strafprozeß im Wandel – Innenansicht trifft auf Außenansicht
Zu einer Erwiderung von Lorenz Leitmeier (Subsystem Recht) auf Gisela Friedrichsen (Subsystem Medien)
Wenn jemand die Ehre von Strafverfolgungsorganen in Frage stellt, dann können bayerische Staatsanwälte rotsehen. Ein Schrotthändler mußte dies vor drei Wochen erleben, als sich in einer Hauptverhandlung gegen ihn Staatsanwalt Hubert Krapf in Rage redete. Krapf bezeichnete den Schrotthändler als „menschlichen Abschaum“. Was hatte dieser getan? Einen Völkermord angezettelt? Einen Kinderschänderring angeführt? Schlimmer: Er hatte es gewagt zu behaupten, Kriminalbeamte hätten ihn zu einer falschen Aussage nötigen wollen. Es handelte sich um einen Ausläufer des Falles um den Bauern Rupp: 2005 waren Familienangehörige vom LG Ingolstadt der Tötung des Familienvaters Rupp überführt und zu langjährigen …
20. Dezember 2012
Fall Mollath: Meine Kritik an SPIEGEL-Autorin war zur Hälfte unberechtigt
In diesem Blog sind bereits drei Beiträge zum Fall Gustl Mollath erschienen. Auf diesen Fall bin ich über einen Blogbeitrag von Prof. Henning Müller aufmerksam geworden. Zuvor hatte ich zwar schon mehrfach in den Medien das Stichwort Mollath gelesen, ohne dem aber große Beachtung zu schenken. Über den Beitrag von Prof. Müller habe ich erst erfahren, daß es um die Frage geht, ob ein Justizirrtum vorliegt und – wenn ja – wie die Justiz damit umgeht. Daß der Fall im Bayerischen Landtag bereits heftige Debatten ausgelöst hatte, tat sein übriges, mein Interesse zu wecken. Ich …
14. Dezember 2012
Fall Mollath – Wenn die Welle des Journalismus bricht
Der gestrige Donnerstag war für Gustl Mollaths Wunsch nach Freiheit und Rehabilitierung ein Tag journalistischer Rückschläge. Dabei fing er noch gut an: Die Süddeutsche Zeitung wies nach, daß die seit Wochen von Justizministerin Merk vor sich hergetragene Behauptung, wonach der Sonderrevisionsbericht der HypoVereinsbank die Schwarzgeldvorwürfe Mollaths gerade nicht bestätigt habe, schlicht falsch ist: Unter den zahlreichen Prüfergebnissen des Berichts findet sich auf Seite 7 folgende Feststellung der Prüfer: „Herr D. erklärte hierzu, dass es sich dabei um einen ‚Gefallen‘ für eine Kundin (allgemein bekannte Persönlichkeit) gehandelt habe, die beim Umtausch nicht persönlich in Erscheinung treten …
10. Dezember 2012
Interview zum Fall Mollath: Eine Rekonstruktion der Hauptverhandlung
Herr Westenrieder, Sie haben in dem Strafverfahren gegen Gustl Mollath als Schöffe mitgewirkt. Mollath ist seit fast sieben Jahren in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht und spätestens seit ein paar Wochen mehren sich die Anzeichen, daß er dort nicht hingehört. Sie selbst haben sich bereits mehrfach in diesem Sinne zu Wort gemeldet. In Ihren bisherigen Stellungnahmen gegenüber Medien haben Sie klargestellt, daß Sie an das Beratungsgeheimnis (§ 45 Abs. 1 Satz 2, § 43 DRiG) gebunden sind, aber daß dies Sie nicht daran hindert, sich zu den Vorgängen in der öffentlichen Hauptverhandlung zu äußern. Das sehe …
9. Dezember 2012
Bloggender Professor: Alle hoeren auf ihn
Das eigentlich Faszinierende am Bloggen ist die Zeit nach der Veröffentlichung eines Beitrags. Anhand der Blog-Statistik lässt sich unmittelbar beobachten, wie oft ein Text abgerufen und wohl auch gelesen wird. Es ist ein schönes Gefühl, wenn die Abrufzahlen steigen. Hohe Abrufzahlen spornen dazu an, die Mühen für den nächsten Beitrag auf sich zu nehmen. Mit unserem kleinen De legibus-Blog sind wir nun seit zweieinhalb Jahren dabei. Einige unserer Beiträge konnten inzwischen durchaus beachtliche Erfolge feiern, an der Spitze „Juris im Spiegel des SPIEGEL„, „Apple gegen Samsung: Ein teurer anwaltlicher Kunstfehler„, „Justiz im Wahn-Wahn„, „Raubkopieren ist …
3. Dezember 2012
Der Kontakt des Polizisten mit der Nadel
Letzten Donnerstag, dem 29. November 2012, trat in Baden-Württemberg das Gesetz zur Änderung des Polizeigesetzes und des Gesetzes zur Ausführung des Personenstandsgesetzes in Kraft. Bei der Aktualisierung von dejure.org an diesem Tag fiel mir die in diesem Zuge vorgenommene Änderung von § 60 PolG auf. Aufgrund der Gesetzesänderung darf nun auch der Polizeivollzugsdienst HIV-Tests anordnen. Stutzig gemacht, warf ich eine Blick in die Gesetzesbegründung (LT-Drs. 15/2434, Seite 42). Die dortige Erläuterung dieser Vorschrift hat mein anfängliches ungutes Gefühl beruhigt. Es geht ihr zufolge nicht darum, daß der Verdacht einer Ansteckung als solcher neuerdings als eigenständige …
28. November 2012
Justiz im Wahn-Wahn
Fall Mollath Strafprozess Strafrecht
So wie der Großinquisitor in Dostojewskis gleichnamiger Erzählung Jesus Christus lieber verhaften ließ als zuzulassen, daß dessen Wiederkunft die Herrschaft der Kirche gefährdet, so betrachten es derzeit in Bayern Richter, Staatsanwälte und die Justizministerin als ihre oberste Pflicht, die Justiz vor der Gerechtigkeit zu schützen. Die Rede ist vom Fall Gustl Mollath, ein Mann, der vom „größten und wahnsinnigsten Steuerhinterziehungsskandal“ „faselte“ und nicht zuletzt deswegen von einer großen Strafkammer unbefristet in die Psychiatrie eingewiesen wurde – in einem Verfahren, das vielleicht den größten Justizskandal der bayerischen Nachkriegsgeschichte darstellt. Während der namhafte Verfassungsrechtler Michael Kleine-Cosack vor …
11. November 2012
Landgericht Darmstadt verhandelt unter Ausschluss von Öffentlichkeit und Denkgesetzen
Justiz und Öffentlichkeit Zivilprozess
Man muss gar kein Strafrechtler sein, um vor Gericht einmal etwas zu erleben. § 169 S. 1 GVG, wonach die Verhandlung vor dem erkennenden Gericht öffentlich ist, und Art. 103 Abs. 1 GG, wonach vor Gericht jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör hat, gelten bei der 27. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt im selbständigen Beweisverfahren nämlich nichts. Davon musste ich mich am vergangenen Freitag in einem Erläuterungstermin nach den §§ 492 Abs. 1, 411 Abs. 3 ZPO überzeugen. Worum ging es? Eine von mir vertretene Stadt bemängelte kurz vor Vollendung der Verjährung die Frostschutzschicht einer Straße. Die …
5. November 2012
Er will doch nur „kungeln“
Strafprozess strafrechtliche Verständigung
Die Süddeutsche Zeitung vom 2. November 2012 sowie zahlreiche andere Medien berichten unter Berufung auf eine im Auftrag des BVerfG durchgeführte Studie des Düsseldorfer Professors Karsten Altenhain davon, dass nach Einschätzung der Mehrheit der in dieser Studie befragten Richter jeder zweite „Deal“ in Strafverfahren gegen die Strafprozessordnung verstoße. Auch wenn die Grundlage der Studie – gut 330 Richter, Staatsanwälte und Rechtsanwälte wurden befragt – noch nicht in Einzelheiten bekannt und insbesondere zu fragen ist, wie viele der Teilnehmer Richter waren, wie deren Auswahl erfolgte und ob es sich dann letztlich um valide Ergebnisse handelt, fühlen …
4. November 2012
Schützt ein Streikverbot für Lehrer den Rechtsstaat?
Daß eine Gewerkschaft mit aller Kraft gegen das Streikrecht kämpft, das gibt es vielleicht nur in Deutschland. Der DBB Beamtenbund und Tarifunion hat nun den Generalangriff angetreten gegen Bestrebungen in der Rechtsprechung, beamteten Lehrern das Streiken zu erlauben oder sie zumindest nicht dafür zu bestrafen. Er hat bei dem früheren Bundesverfassungsrichter Udo Di Fabio zu diesem Zweck ein Gutachten in Auftrag gegeben, das letzte Woche vorgestellt wurde. Der DBB verfolgt zwei Zwecke: Beamte einzuschüchtern, die mit dem Gedanken spielen, einem Streikaufruf zu folgen (DBB-Vorsitzender Peter Heesen: „Jeder Beamte weiß nun, was er tunlichst nicht tun …
21. Oktober 2012
Die Menschenwürde des Angeklagten und die nationale Identität des Königreichs Spanien
Es kommt nicht oft vor, daß ein Verfassungsgericht ein Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV vor dem EuGH einleitet. Was bisher noch nie vorkam, war, daß dem EuGH von einem Verfassungsgericht grundlegende Fragen des Zusammenspiels der Grundrechte auf EU-Ebene und auf einzelstaatlicher Ebene vorgelegt wurden. Bis der spanische Verfassungsgerichtshof (im folgenden: SpanVerfGH) durch Plenarbeschluß vom 9. Juni 2011 (ATC 86/2011) den „europäischen Verfassungsgerichtsverbund“ (Voßkuhle) zum Leben erweckte. In diesem Verfahren vor dem EuGH (C-399/11) hat Generalanwalt Yves Bot am 2. Oktober 2012 seine Schlußanträge vorgelegt. Die Entscheidung, die der EuGH nun zu treffen haben wird, dürfte …
17. Oktober 2012
Ist der BGH in die Fristenfalle getappt?
Unter den Zivilsenaten des Bundesgerichtshofs fällt der I. nicht nur aufgrund seines Störerhaftungsautismus und seiner Freischärlerhaltung gegenüber der Demokratie auf, sondern auch dadurch, daß er besonders langsam arbeitet. Es dauert bei diesem Senat nach einer Urteilsverkündung meist viele Monate, bis die Prozeßparteien die schriftlichen Gründe für die Entscheidung in Händen halten. Die prinzipielle Einhaltung der Vorschrift des § 555 Abs. 1 i.V.m. § 315 Abs. 2 Satz 1 ZPO, nach der die Richter die Urteilsgründe innerhalb von drei Wochen vorlegen müssen, wäre beim I. Zivilsenat etwas ganz Unerhörtes. Allerdings wird die Frist auch von den …
15. Oktober 2012
Polizeirechtliche Schuldvermutung
In seiner lesenswerten Fernsehkritik zur Günther-Jauch-Talkshow „Was ist ein Freispruch wert?“ schreibt Stefan Niggemeier heute: Dass jemand bis zum Beweis des Gegenteils als unschuldig zu gelten hat und dass der Beweis der Schuld im Fall Kachelmann in keiner Weise erbracht wurde, das erschien in der Sendung wie eine weltfremde Absonderlichkeit von Juristen, ohne lebenspraktische Relevanz. In den Leserkommentaren ergänzt ein Kommentator das damit angesprochenen Thema „Kein Freispruch erster Klasse“ so: Es gibt nach deutschem Recht keinen Freispruch erster und zweiter Klasse – wer den Begriff erfunden hat, sollte mal ermittelt werden. Es gilt das rechtsstaatliche …
9. Oktober 2012
Streit zwischen Hessen und NRW über die Steuer-CD-Beute
Der hessische Finanzminister fordert von Nordrhein-Westfalen einige Millionen Euro als Anteil an der (Aus-)Beute der Steuer-CDs, die nordrhein-westfälische Steuerfahnder von Datenhehlern aus der Schweiz – auch mit hessischem Geld – gekauft hatten. Das NRW-Finanzministerium lehnt das strikt ab. Und die hessische Opposition kritisiert, daß man nicht – wie der Finanzminister – den Ankauf der CDs ablehnen und trotzdem die Forderung nach einer Beteiligung an Erlösen erheben könne. Ob diese Argumentation stichhaltig ist, sei dahingestellt. Man könnte sich aber auch umgekehrt fragen – da die „Untreuemode“ in der Spielart der Regierungskriminalität gerade ihre Blütezeit erlebt (Mappus, …
7. Oktober 2012
Die Bundeszentrale für politische Bildung im Urheberrechtswahn
Ein Lehrstück
Die politische Wende im Herbst 1989 erlebte ich als Schüler einer achten Klasse an einer Polytechnischen Oberschule. Mit dieser Klassenstufe begann – jedenfalls bei uns auf dem Dorf – damals der Staatsbürgerkundeunterricht. Dieser sollte uns ein gefestigtes Klassenbewusstsein und das Bekenntnis zum Arbeiter-und-Bauern-Staat vermitteln. Wir kamen angesichts der politischen Ereignisse nicht weit damit. Als uns das Gerücht erreicht hatte, der Unterricht werde insoweit eingestellt, zerrissen wir Schüler in spontaner Reaktion darauf jubelnd die Lehrbücher (André Schneider war dabei der Mutigste). Die uns deshalb von der Schuldirektorin angedrohten Konsequenzen blieben vollständig aus. Das erste Kraftfahrzeug westlicher …
3. Oktober 2012
Die Feinsteuerung der öffentlichen Meinung durch SPIEGEL ONLINE
Es ist nicht jedermanns Sache, aber ich tue es: Ich lese gerne Leserkommentare unter Beiträgen in Onlinemedien. Nicht selten finde ich dort sogar interessantere Denkanstöße als im Beitrag darüber. Manchmal gehe ich auch so weit, selbst einen Kommentar abzugeben. So letzten Montag auf SPIEGEL ONLINE zu einem Beitrag mit dem Titel „NSU-Mörder Mundlos: Wie die Bundeswehr den Neonazi gewähren ließ“. Bei den meisten „Qualitätsmedien“ (der Ausdruck scheint von Bloggern nur spöttisch verwendet zu werden; hier sei er einmal neutral für Onlineausgaben von Zeitungs-, Zeitschriften- und Rundfunkredaktionen gebraucht) werden heutzutage Leserkommentare meist so gehandhabt, daß sie …
25. September 2012
Machtkampf am BGH: „Mein persönliches Schicksal ist unerheblich“
Besetzungsstreit am Bundesgerichtshof. Noch ein Beitrag zu diesem Thema? Muß das sein? Ich dachte eigentlich auch, daß zu dem Thema schon alles gesagt wäre (siehe in diesem Blog etwa „Eskalation am BGH – die Nerven liegen blank“, „Wie der BGH gegen den BGH ermittelt“ sowie zahlreiche Beiträge in der Fachpresse). Doch dann stieß ich zufällig auf die Dokumentation von Schriftsätzen rund um den Besetzungsstreit, die das Strafverteidigerbüro Wuppertal zusammengestellt und veröffentlicht hat. Es handelt sich um die dienstlichen Erklärungen, die Mitglieder des 2. Strafsenats gemäß § 26 Abs. 3 StPO in den Ablehnungsverfahren abgegeben haben …
23. September 2012
Global Player beim OLG Stuttgart
Ein Expeditionsbericht einer Strafverteidigerin aus dem völkerstrafrechtlichen Urwald
Am 30. Juni 2002 trat in Deutschland das Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) in Kraft. Damit sollte das deutsche Strafrecht an das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs angepasst und das Statut umgesetzt werden. Zahlreiche Nichtregierungs- und Menschenrechtsorganisationen feiern in diesem Jahr das zehnjährige Bestehen des VStGB und blicken mit großem Interesse auf das OLG Stuttgart, wo seit Anfang Mai 2011 ein Verfahren gegen zwei Angeklagte läuft, denen erstmalig in Deutschland von der Anklagebehörde Straftaten nach dem VStGB vorgeworfen werden (5-3 StE 6/10). 1. Verfahrensgegenstand Die beiden Angeklagten sind der ehemalige Präsident und der ehemalige erste Vizepräsident einer politischen …
16. September 2012
Zehnaugenprinzip
Nach Lektüre des Aufsatzes von Fischer/Krehl, Strafrechtliche Revision, „Vieraugenprinzip“, gesetzlicher Richter und rechtliches Gehör, StV 9/2012, 550—559, kann ich sagen, dass bei mir als Zivilrechtler eine Fehlvorstellung vorlag. Unter „Aktenkenntnis“ habe ich bislang das Lesen der Akte der Tatsacheninstanz und der Revisionsinstanz gefasst. Tatsächlich liest allenfalls der Berichterstatter die Akte der Tatsacheninstanz. Der Vorsitzende liest ausschließlich die Akte der Revisionsinstanz, das „Senatsheft“. Zugleich bin ich davon ausgegangen, dass jedes Senatsmitglied jedenfalls das Senatsheft liest, also das Urteil der Tatsacheninstanz, die Revisionsbegründung und die Antragsschrift des Generalbundesanwalts kennt. Dass es nicht so ist, erschüttert mich. Nachtrag …
19. August 2012
Hauptreferendar der Reserve
Eins muß man dem juristischen Internetmedium LTO („Legal Tribune Online“ – für die Anglophilen unter den deutschen Juristen) schon lassen: Es ist schnell, verdammt schnell. Wenn eine wichtige Gerichtsentscheidung kommt, dann bringt LTO am selben Tag nicht nur eine Kurzmeldung, sondern oft auch eine Kurzanalyse, von den verschiedensten Autoren aus Wissenschaft und Praxis. Schon im letzten Jahr sprach ich, anläßlich eines damaligen EGMR-Urteils und seiner Rezeption in der LTO, vom Ausschicken der Kavallerie. Bei dem am letzten Freitag öffentlich gemachten Beschluß des Plenums des Bundesverfassungsgerichts zum Einsatz der Bundeswehr im Inneren, der schon Anfang Juli …
12. August 2012
In Sachen Bundesgerichtshof ./. Parlamentarische Demokratie
Schon mehrfach ging es in diesem Blog um „richterliche Eigenmacht“. Da war etwa der VI. Senat des BFH, der sich weigerte, eine klare gesetzliche Regelung anzuwenden, weil sie seiner Meinung nach nicht in das Normengefüge des Einkommensteuergesetzes paßte („Wer hält diese Richter auf?“). Oder der VII. Senat des BFH, der eine Verjährungsfrist nicht anwenden wollte, weil sie ihm unangemessen kurz erschien – obwohl der EG-Gesetzgeber sie ausdrücklich als angemessen erachtete (es war das Verdienst des FG Hamburg, durch eine Vorlage an den EuGH verhindert zu haben, daß der BFH damit durchkam: „Ein Dialog zwischen beredt …