Am 30. Juni 2002 trat in Deutschland das Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) in Kraft. Damit sollte das deutsche Strafrecht an das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs angepasst und das Statut umgesetzt werden. Zahlreiche Nichtregierungs- und Menschenrechtsorganisationen feiern in diesem Jahr das zehnjährige Bestehen des VStGB und blicken mit großem Interesse auf das OLG Stuttgart, wo seit Anfang Mai 2011 ein Verfahren gegen zwei Angeklagte läuft, denen erstmalig in Deutschland von der Anklagebehörde Straftaten nach dem VStGB vorgeworfen werden (5-3 StE 6/10).
1. Verfahrensgegenstand
Die beiden Angeklagten sind der ehemalige Präsident und der ehemalige erste Vizepräsident einer politischen Organisation, die für die Befreiung Ruandas eintritt. Beide leben seit mehr als 20 Jahren in Deutschland und gingen ihrer politischen Betätigung von hier aus nach. Dies ist der Anknüpfungspunkt dafür, dass ihr Strafverfahren vor einem deutschen Gericht und nicht dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) durchgeführt wird.
Die Organisation, die sich Forces Démocratiques de Libération du Rwanda (FDLR) nennt, verfügt über einen politischen und einen militärischen Arm, der nach der Flucht aus Ruanda außerhalb Ruandas, nämlich in der Demokratischen Republik Kongo, stationiert ist. Der militärische Arm der FDLR war seit Gründung der Organisation immer wieder in wechselnden politischen Allianzen, mal auf der Seite, mal gegen die Seite des kongolesischen Präsidenten an verschiedenen Kriegsgeschehen in den Kivu-Provinzen im Kongo beteiligt. Die politische Interessenlage dort ist äußerst kompliziert und wechselhaft. Es gibt zahlreiche bewaffnete Rebellengruppen, bewaffnete Volksstämme, bewaffnete Armeeabspaltungen des kongolesischen Militärs und Abspaltungen der Organisation der Angeklagten. Ein funktionierendes Staatssystem existiert nicht. Lokale Fürsten, Rebellenführer etc. organisieren das zivile Leben mehr schlecht als recht. Hinzu kommen handfeste wirtschaftliche Interessen aller Beteiligten an den reichen Bodenschätzen der Kivu-Provinzen.
Die Organisation FDLR wird vom ruandischen Präsidenten als ernst zu nehmende Opposition und damit Bedrohung wahrgenommen, nachdem die inländische Opposition durch Verhaftungen der Oppositionsführer und andere Maßnahmen im „Griff“ ist. Interventionen gegen die FDLR auf allen erreichbaren Ebenen (militärisch und politisch) gibt es daher seit vielen Jahren, auch wenn teilweise die Interventionen nur vorgeschoben werden, um einen Grund zum erneuten Einmarsch in das Nachbarland DR Kongo und dann einen Zugriff auf die dortigen Bodenschätze zu haben.
Neben dem Präsidenten und dem ersten Vizepräsidenten gibt es einen zweiten Vizepräsidenten der FDLR, der von Frankreich – wo er seinen Wohnsitz hat – an den Internationalen Strafgerichtshof ausgeliefert wurde. Dort wurde gegen ihn Anklage wegen der gleichen bzw. vergleichbarer Taten, wie sie hier in Deutschland angeklagt sind, erhoben. Der IStGH hat die Anklage jedoch nicht zugelassen und den Haftbefehl aufgehoben, weil die Beweise für eine Vorgesetztenverantwortung nicht ausreichten. Nach erfolglosen Beschwerden der Anklagebehörde sind diese Entscheidungen inzwischen rechtskräftig.
Die Anklage des Generalbundesanwalts (GBA) vom 7. Dezember 2010 wirft den Angeklagten – zusammengefasst und stark vereinfacht – vor, es als militärische Befehlshaber unterlassen zu haben, ihre Untergebenen daran zu hindern, systematische Angriffe gegen die Zivilbevölkerung und Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht zu begehen, sowie Mitglied einer terroristischen Organisation zu sein.
Als Beweismittel nennt die Anklage Zeugen und Sachverständige in Europa, die zur Struktur und den Zielen der Organisation Angaben machen können oder vom Hörensagen über Aspekte berichten. Ferner werden Zeugen aus Ruanda und aus dem Kongo benannt. Darunter sind zahlreiche ehemalige Kämpfer der Organisation und einige mutmaßliche Opfer von Vergewaltigungen und Verstümmelungen, wobei bis heute kein unmittelbarer Augenzeuge eines Angriffs in der Hauptverhandlung vernommen wurde. Die mutmaßlichen Geschädigten werden ausschließlich anonymisiert als Z1 bis Z10 bezeichnet und sind der Verteidigung bis heute nicht namentlich bekannt. Ein Vorgehen, das die StPO nicht kennt, aber bislang dem Gericht keinen Kommentar entlocken konnte.
Im Ermittlungsverfahren haben GBA und Bundeskriminalamt (BKA) gemeinsam Zeugen aus einem ruandischen „Umerziehungslager“ für ehemalige Kämpfer vor Ort in Ruanda als Zeugen vernommen. Bei dem von mir als „Umerziehungslager“ bezeichneten Camp handelt es sich um eine Pflichteinrichtung, die ehemalige Soldaten der FDLR, die nach Ruanda zurückkehren und den Kampf aufgeben wollen, durchlaufen müssen. Sie werden dort von Mitarbeitern der ruandischen Staatsanwaltschaft und vom Geheimdienst zu ihren Erfahrungen, den Strukturen, Plänen, Namen und Erreichbarkeiten militärischer Führer der FDLR befragt, müssen Geständnisse unterschreiben, erhalten Unterricht, wie sie zukünftig zu leben haben und wie die Geschichte Ruandas richtig zu verstehen ist. Sie erhalten nach Abschluss der Ausbildung ein Startkapital für das neue Leben und einen Ausweis, der sie als ehemalige Feinde und jetzt umerzogene Zivilbürger Ruandas ausweist.
Die Vernehmungen durch GBA und BKA dort in Ruanda sind nicht als staatsanwaltschaftliche Vernehmungen, sondern als polizeiliche Vernehmungen bezeichnet und nur zu einem ganz geringen Teil auf Video aufgezeichnet worden. Die Vernehmungsniederschriften sind – anders als beim IStGH – keine Wortprotokolle, sondern die üblichen polizeilichen Inhaltsprotokolle. Die Vernehmungen, die auf Video aufgezeichnet wurden, belegen, dass die Übersetzungen in vielen und entscheidenden Punkten fehlerhaft sind und dass das Protokoll nicht annähernd den tatsächlichen Inhalt der Vernehmung wiedergibt. Insbesondere Fragen und Vorhalte der vernehmenden Beamten sind gar nicht oder äußerst unzureichend dokumentiert.
Außerdem gibt es als Beweismittel Berichte verschiedener Organisationen, die im Kongo tätig sind oder waren.
Weitere zentrale Beweismittel sind die aufgezeichneten TKÜ-Erkenntnisse in Form von E-Mails, SMS und Telefonaten der Angeklagten und weiterer Personen. Das bei beiden Angeklagten sichergestellte Datenmaterial auf ihren Computern, Festplatten etc. mit einem Gesamtumfang von ca. 2 Terrabyte ist nur zum Teil ausgewertet worden. Unterlagen der UN durften bislang nur Vertreter des GBA einsehen und zu weiteren Ermittlungen nutzen, den übrigen Verfahrensbeteiligten ist immer noch nicht bekannt, welche Informationen der GBA durch den Besuch der UN-Archive gewonnen hat.
2. Kein normaler Strafprozess
Das Verfahren vor dem OLG Stuttgart weist eine Reihe von Rahmenbedingungen auf, die die Verteidigung zu ständiger Intervention drängen. Einige davon sollen kurz beschrieben werden.
a) Dolmetscherproblematik
Die Mitglieder der Organisation sprechen die in Ruanda übliche Sprache Kinyarwanda, in der zahlreiche Telefonate pp. geführt werden. Die Einführung der TKÜ-Erkenntnisse in die Hauptverhandlung, die diese Sprache betreffen, erfolgt mittels eines Dolmetschers für Kinyarwanda, dessen Muttersprache dies ist und der deutsch gut, aber für die Feinheiten eines gerichtlichen Verfahrens nicht ausreichend beherrscht. Bei den Übersetzungen durch diesen Dolmetscher gibt es immer wieder, teilweise gravierende Beanstandungen der Übersetzung durch die Angeklagten. Der Dolmetscher vermochte z.B. nicht, einen Vorhalt aus der Anklageschrift sinnerhaltend mit den dortigen Spitzen und Schärfen zu übertragen, weil er das gehobene Sprachniveau der Anklage im Deutschen nicht verstanden hatte. Der Dolmetscher überträgt Sätze, die in einer dem deutschen Konjunktiv verwandten Form des Irrealis gesprochen wurden, im Indikativ. Die Verteidigung hat mehrfach beantragt, den Sprachsachverständigen auszutauschen. Der Senat hat alle Anträge abgelehnt.
Ich verstehe durchaus das Dilemma für das Gericht, das in Deutschland keinen Dolmetscher findet, der die nötige Qualifikation und Zeit hat, dennoch rüttelt alleine dieser Punkt am Fundament des Verfahrens.
b) Identifizierung und Bewertung der Zeugen
Die meisten präsentierten Zeugen hatten zum Zeitpunkt ihrer Vernehmung in Ruanda keinerlei Ausweispapiere. Ob ein Zeuge tatsächlich derjenige ist, für den er sich ausgibt, ist nicht zu überprüfen. Bei den Zeugen Z1 bis Z10 ist nicht einmal ermittelbar, ob diese Personen tatsächlich jemals im Kongo gelebt haben.
Die aus Afrika anreisenden Zeugen werden von Zeugenschutzbeamten des BKA engmaschig betreut und u.a. mit Kleidung ausgestattet. Die Zeugenentschädigung nach deutschem Recht bedeutet für die Zeugen einen wirtschaftlichen Gegenwert mehrmonatiger Arbeit in Ruanda. Gericht und GBA fragen schematisch in den Vernehmungen ab, ob es in Ruanda eine Beeinflussung ihres Aussageinhalts gegeben habe. Wird dies verneint, hat es damit sein Bewenden.
Dies verwundert umso mehr, als die Zeugen den deutschen Ermittlern von Mitarbeitern des „Umerziehungslagers“ in Ruanda genannt wurden, also die Auswahl der Zeugen bereits durch ruandische Behörden erfolgte.
Eine Beschäftigung des Gerichts in der Hauptverhandlung mit der Frage, welche kulturellen, politischen und sonstigen Besonderheiten gegeben sein könnten, die Einfluss auf die Glaubwürdigkeitsbeurteilung der Zeugen haben könnten, welche Aspekte möglicherweise abweichend vom sonstigen Prüfungsmaßstab zu beachten sein könnten, hat bisher nicht stattgefunden.
Eine Befassung in der Hauptverhandlung, welche förmlichen und informellen Formen der Beeinflussung von Zeugen in einem nicht demokratischen Land wie Ruanda möglich und ggf. an der Tagesordnung sein könnten, hat es bisher nicht gegeben. Dabei gehört nicht viel Phantasie dazu sich vorzustellen, welche Formen des Drucks zur Erreichung politischer Ziele in einer Diktatur möglich sind, wenn bereits in unserer Demokratie und in unserem Rechtsstaat z.B. innerhalb des BGH Druck auf Bundesrichter mit dem Ziel der Änderung der Rechtsprechung ausgeübt werden kann.
c) Zugang zu Verfahrensmaterial
Durch die parallele Untersuchung der Vorwürfe durch den IStGH und die deutsche Justiz stehen neben den deutschen Verfahrensakten noch die des IStGH zur Verfügung. Das Gericht hat bisher – nach meinem Kenntnisstand – trotz entsprechender Anträge der Verteidigung nicht im Wege der Rechtshilfe um vollständige Überlassung der IStGH-Akten gebeten. Stattdessen präsentiert der GBA während laufender Hauptverhandlung immer wieder einzelne Vernehmungsmitschriften von Zeugen aus dem IStGH-Verfahren. Weder die Auswahlkriterien des GBA bei der Präsentation seiner Einzelerkenntnisse, noch das Maß seines Einblicks in die dortigen Akten sind Gericht und Verteidigung bekannt. Das Gericht scheint sich hierfür auch nicht zu interessieren. Die Verteidigung interessiert sich dafür, wird aber dumm gehalten.
Vor dem Hintergrund, dass der IStGH bei Sichtung des vollständigen Materials zu dem Ergebnis gelangt ist, eine Vorgesetztenverantwortung des zweiten Vizepräsidenten nicht nachweisen zu können, ist es unabdingbar, auch für das deutsche Verfahren das gesamte Material sichten zu können.
d) Eigene Ermittlungen der Verteidigung
Eigene Ermittlungen der Verteidigung zu Entlastungszeugen und zu Belastungszeugen im Kongo scheitern an der Sicherheitslage, an den nötigen finanziellen Mitteln und an der mangelnden Mitwirkungsbereitschaft der Länder Ruanda und Kongo.
Zur Einreise nach Ruanda zum Zweck der Recherche zu Verteidigungszwecken sind neben Visa auch Arbeitserlaubnisse notwendig, die einfach nicht oder nur nach erheblichen Anstrengungen und großem Zeitverlust erteilt werden. Wenn Zeugen mitten im Urwald aufzusuchen wären, die nur nach mehrfacher Überquerung von Frontlinien zu erreichen wären, ist die Sicherheit der Verteidiger nicht gewährleistet. Die berechtigte Sorge um Leib und Leben macht eigene Ermittlungen dann unmöglich.
Hinzu kommt, dass die Pflichtverteidigerpauschvergütung als um 25 % erhöhtes Pflichtverteidigerhonorar die einzige finanzielle Ressource der Verteidigung gelisteter Mandanten ist. Mit dieser Pauschvergütung lassen sich keine Reisen, Dolmetscher, Ermittler etc. bezahlen.
3. Rechtspolitische Überlegungen
Was wollen wir mit der Durchführung derartiger Prozesse erreichen? Bestenfalls die Ahndung schwerer Menschenrechtsverstöße und untragbaren Verhaltens politisch Verantwortlicher. Aber wer entscheidet, welcher Rebell ein guter Rebell ist, wer entscheidet, wer auf den politischen Gegner schießen und diesen umbringen durfte und wer nicht? Und ob der Westen dazu die Waffen liefern darf? Wer entscheidet, was mit den schweren Menschenrechtsverstößen der „Guten“, der nach der jeweiligen politischen Einschätzung zu unterstützenden Gruppe passiert? Kann ein Verfahren wegen Verstößen der FDLR gegen das VStGB jemals legitimiert sein, wenn wegen der gleichartigen und gravierenden Verstöße der kongolesischen und der ruandischen Armee nicht einmal ermittelt wird?
Kann sich ein Verfahren wie das vorgestellte vom Vorwurf befreien, ein geschickter Schachzug des ruandischen Diktators gegen die missliebige Opposition zu sein und in dieser Weise im eigenen Land gesteuert zu werden?
Wie wird man verhindern, dass Verfahren nach dem VStGB für Siegerjustiz instrumentalisiert werden?
Wollen wir die deutsche Justiz zum Spielball politischer Interessen im Ausland machen?
Zahlreiche Menschenrechts- und Nichtregierungsorganisationen machen Druck, politischen Druck auf den GBA, im Verfahren in Stuttgart für Verurteilungen nach dem VStGB zu kämpfen. Der Erfolg des VStGB wird mit einer Verurteilung der Angeklagten verknüpft. Alles unterhalb des Urteils „lebenslänglich“ wäre eine Enttäuschung, eine Schwäche, ein Versagen des VStGB und der Justiz. Um dies auch dem Gericht deutlich zu machen, werden Prozessbeobachter abgestellt, die von jedem Prozesstag berichten. Die TAZ mit ihrem Redakteur D. Johnson hat sich eindeutig positioniert. An der Berichterstattung dieser Zeitung lässt sich das Ziel – die Verurteilung – ebenso ableiten wie die Stimmung und Entwicklung im Prozess. In der Sommerpause des Verfahrens war die TAZ mit einem mehrseitigen Dossier mit emotionalisierender Berichterstattung präsent, um den Erkenntnissen des Verfahrens – einem befürchteten schwindenden Tatverdacht – entgegen zu wirken.
Die Verfahrensbeteiligten sehen sich einem hohen Druck ausgesetzt, die Handlungsfähigkeit Deutschlands gegen Kriegsverbrechen in der Welt unter Beweis zu stellen.
Die Realität sieht jedoch so aus, dass ein in Deutschland sitzendes Gericht ohne Möglichkeit der Ortsbesichtigung, ohne Schulung und Unterstützung zum Verständnis von Kultur, Politik und Geschichte der Tatortregion, nur durch Entgegennahme Berichte anderer die Wahrheit nicht ermitteln kann. Die Alternative, vor der die Richter stehen, lautet:
Entweder sie machen mit fast preußischer Pflichterfüllung weiter – trotz aller faktischen Einschränkungen, trotz aller (teilweise gravierenden) Einschränkungen der Grundsätze rechtsstaatlicher Verfahren, trotz des Ungleichgewichts von Rechten und Möglichkeiten im Verfahren, trotz der politischen Interessen, deren Reichweite und Auswirkungen nicht einschätzbar sind, trotz aller Probleme – und gelangen zu einem Urteil, dessen Prämissengebäude mehr als wackelig ist – nach dem Motto „Augen zu und durch“ –
oder
sie machen deutlich, dass ein derartiges Verfahren in Deutschland nach unseren rechtsstaatlichen Maßstäben nicht zu führen ist.
4. Folgerungen und Forderungen
Die Kombination aus Global Playern auf Seiten der Ermittlern (die Bundesjustizministerin lobte bei der Verabschiedung der Generalbundesanwältin Harms, dass die Mitarbeiter des GBA durch ihre Reisen nach Afrika zu Zeugenvernehmung inzwischen zu „Global Playern“ geworden seien) und regional agierenden Gerichten und Verteidigern beeinträchtigt Verteidigungsrechte so elementar, dass von Waffengleichheit keine Rede mehr sein kann.
Angeklagte und Verteidiger darauf zu reduzieren, entweder staunend zu glauben, was der GBA aus dem Hut zaubert, oder ohnmächtig zu toben, verstößt gegen das verfassungsrechtliche Gebot des fair trial.
Das dargestellte Verfahren ist unter den Grundbedingungen nicht unter Einhaltung der rechtsstaatlichen Garantien durchführbar. Konsequenz kann kein Durchwursteln unter Abschwächung des Grundrechtsschutzes der Angeklagten sein, sondern nur die Erkenntnis, dass das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses eingestellt werden muss.
Es wäre zu wünschen, dass die Justiz der Politik die Grenzen aufzeigt, anstatt sich dem Diktat des Erwünschten zu beugen, indem derartige Verfahren gegen jede Vernunft geführt werden, anstatt die Eröffnung des Verfahrens abzulehnen oder das Verfahren einzustellen. Der IStGH ist die Stelle, an dem derartige Verfahren geführt werden sollten.
Will man tatsächlich aus einem deutschen Gerichtssaal heraus ein Geschehen aufklären, das sich ausschließlich in Afrika unter Kriegsbedingungen in unzugänglichem Gelände abgespielt hat, benötigen die Verfahrensbeteiligten andere Mitwirkungsmöglichkeiten als sie bisher in der StPO vorgesehen sind. Der materiell rechtlich veränderten Rechtslage durch Einführung des VStGB müsste eine Veränderung der Prozessordnung oder eine spezielle Prozessordnung für Verfahren mit reinem/ überwiegendem Auslandsbezug gegenüber gestellt werden.
Sollen derartige Verfahren in deutschen Gerichtssälen geführt werden, braucht die Verteidigung weitergehende Rechte, weitergehende finanzielle und personelle Ausstattung mindestens wie beim IStGH (wissenschaftliche Mitarbeiter, Bezahlung von Ermittlern, Budget für eigene Ermittlungen vor Ort pp.) und das Gericht eine weitergehende sachverständige Unterstützung (z.B. zur Auswirkung der Interkulturalität auf das Verfahren).