De legibus-Blog

20. März 2016

EuGH überprüft Auslieferungsrechtsprechung des BVerfG

Oliver García

Das Bundesverfassungsgericht hat ein großes Herz für Verfassungsbeschwerdeführer, die von einer Auslieferung bedroht sind (und das ist gut so). Deutsche Beschwerdeführer, gegen die ein Europäischer Haftbefehl vollstreckt werden soll, können grundsätzlich damit rechnen, vom BVerfG Hilfe zu bekommen. So hatte es etwa im Oktober letzten Jahres mit einer einstweiligen Anordnung verhindert, daß ein wegen Mordverdachts in Belgien verfolgter Deutscher ausgeliefert wurde (Beschluß vom 7. Oktober 2015 – 2 BvR 1860/15). Filmreif wurde der Gefangenentransport in Aachen, kurz vor der belgischen Grenze, zum Abbremsen gebracht. Vor zwei Wochen warf sich dann das BVerfG dazwischen, als ein …

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19. Mai 2014

Hat sich der EuGH mit seinem Google-Urteil selbst abgeschossen?

Oliver García

Von wegen „Das Internet vergißt nicht“. Der EuGH scheint mit seinem Google-Urteil vom letzten Dienstag diese alte Gewißheit über den Haufen geworfen zu haben. Suchmaschinenbetreiber können, so der EuGH, datenschutzrechtlich verpflichtet sein, bei Suchen nach Personennamen nicht mehr alle Treffer anzuzeigen, die es zu Personen dieses Namens im Internet gibt. Die Tragweite dieser Entscheidung ist noch gar nicht abzusehen und zu ihren Opfern könnten der EuGH und der EGMR werden. Keine 24 Stunden nach der Entscheidung des EuGH erhielt ich als Geschäftsführer von dejure.org folgende E-Mail: Sehr geehrte Damen und Herren, mit folgendem Anliegen und …

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23. März 2014

Dürfen Unionsbürger an die USA ausgeliefert werden?

Oliver García

Einleitung: Der Fall Roman Polański Es ist erstaunlich, mit welcher Sorglosigkeit Roman Polański in Deutschland Filme drehte. Er schien nicht geahnt zu haben, daß er Gefahr lief, jederzeit verhaftet zu werden, sowohl bei den Dreharbeiten für Der Pianist (2002), der unter anderem in Berlin und Brandenburg entstand, als auch beim fast ausschließlich in Deutschland gedrehten Der Ghostwriter (2009). Die Gefahr wurde offenbar, als Polański Ende 2009 auf ein US-amerikanisches Auslieferungsersuchen hin auf dem Zürcher Flughafen verhaftet wurde. Nach Zürich war er gekommen, um einen Festivalpreis für sein Lebenswerk entgegenzunehmen. In den USA gilt Polański als …

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12. Mai 2013

Kampfansagen gegen den EuGH – aus Karlsruhe und München

Oliver García

Die interessanteste Diskussion, die das Antiterrordatei-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24. April 2013 – 1 BvR 1215/07 – auslöste, betraf nicht ihren eigentlichen Gegenstand – die Antiterrordatei und deren verfassungsrechtliche Bewertung – sondern einen kleinen argumentativen Sprengsatz, der in das Urteil eingebaut ist. Die Ausführungen unter Gliederungspunkt C, um die es geht, waren dem Senat so wichtig , daß er nicht nur am Ende der Entscheidung auf die Einstimmigkeit in diesem Punkt hinwies, sondern diesen Umstand auch noch in die Pressemitteilung einrücken ließ. Und damit auch wirklich niemand behaupten kann, über diesen Punkt und die Einstimmigkeit …

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21. Oktober 2012

Die Menschenwürde des Angeklagten und die nationale Identität des Königreichs Spanien

Oliver García

Es kommt nicht oft vor, daß ein Verfassungsgericht ein Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV vor dem EuGH einleitet. Was bisher noch nie vorkam, war, daß dem EuGH von einem Verfassungsgericht grundlegende Fragen des Zusammenspiels der Grundrechte auf EU-Ebene und auf einzelstaatlicher Ebene vorgelegt wurden. Bis der spanische Verfassungsgerichtshof (im folgenden: SpanVerfGH) durch Plenarbeschluß vom 9. Juni 2011 (ATC 86/2011) den „europäischen Verfassungsgerichtsverbund“ (Voßkuhle) zum Leben erweckte. In diesem Verfahren vor dem EuGH (C-399/11) hat Generalanwalt Yves Bot am 2. Oktober 2012 seine Schlußanträge vorgelegt. Die Entscheidung, die der EuGH nun zu treffen haben wird, dürfte …

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2. Januar 2012

Die Wirklichkeit als Rechtsfrage

Oliver García

Schon 2003 formulierten die Bundesverfassungsrichter Sommer und Lübbe-Wolff folgenden Merksatz für eine eigentlich selbstverständliche Folgerung aus dem Rechtsstaatsprinzip: Der Rechtsstaat kennt keine von Rechts wegen jeder Widerlegung entzogenen Annahmen über die Wirklichkeit Mit ihm wiesen sie darauf hin, daß für die Frage, ob in Indien gefoltert wird, ein Blick in den deutsch-indischen Auslieferungsvertrag keinen echten Erkenntnisgewinn bringt (BVerfG, Beschluss vom 24. Juni 2003 – 2 BvR 685/03). Ob die Richter am EuGH diesen Merksatz – nennen wir ihn die „Sommer/Lübbe-Wolff’sche Formel“ – kannten, als es darum ging, Annahmen des europäischen Asylsystem mit der griechischen Asylwirklichkeit …

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23. Oktober 2011

Ein Dialog zwischen beredt Schweigenden – Wer keine zweite Meinung hören will, muß fühlen

Oliver García

Ein Rechtsstreit springt seit acht Jahren wie in einem Flipperautomaten zwischen Hamburg (FG), München (BFH) und Luxemburg (EuGH) hin und her. Es geht um eine Beihilferückforderung, aber auch um das „Kooperationsverhältnis“ zwischen dem EuGH und den nationalen Gerichten bei der Auslegung von EU-Recht. Der Fall zeigt anschaulich, was schief gehen kann, wenn Revisionsgerichte meinen, sie dürften eine abweichende Lösung einer unionsrechtlichen Frage durch die Instanzgerichte in den Wind schlagen, ohne hinsichtlich dieser Divergenz eine Entscheidung des EuGH einzuholen. In meinem Beitrag „BGH will keine zweite Meinung hören – Von der unerkannten Offenkundigkeit des EU-Rechts“ hatte …

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23. September 2011

Strengere Missbrauchskontrolle bei Kettenbefristungen

Thomas Fuchs

Die dem Europäischen Gerichtshof vorgelegte, von Schlechtinformierten schon totgeglaubte Rechtssache von Sylvia Jansen gegen das Land Nordrhein-Westfalen wegen der Haushaltsbefristung steht jetzt nach erfolgter mündlicher Verhandlung und gestellten Schlussanträgen kurz vor der Entscheidung. Mich interessierten daran vor allem die Maßstäbe der Missbrauchskontrolle, die an alle Befristungsgründe des § 14 Abs. 1 TzBfG anzulegen sind. Aus den Schlussanträgen geht nun hervor, dass der Generalanwalt die diesbezüglich vom Landesarbeitsgericht Köln aufgestellten Thesen teilt (Niilo Jääskinen, Schlussanträge vom 15. September 2011 – C-313/10): „[37] Insoweit teile ich die Ansicht des vorlegenden Gerichts, die auch von Frau Jansen und …

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3. Juli 2011

BGH will keine zweite Meinung hören – Von der unerkannten Offenkundigkeit des EU-Rechts

Oliver García

Der BGH hat kürzlich eine neue Entscheidung zum Datenbankrecht veröffentlicht. Diese Entscheidung (Urteil vom 1. Dezember 2010 – I ZR 196/08 – „Zweite Zahnarztmeinung II“) scheint mir im Ergebnis richtig und auch gut begründet. Das macht sie besonders geeignet, um an ihrem Beispiel einen grundlegenden verfahrensrechtlichen Irrtum anzusprechen, der die Rechtsprechung, vor allem der obersten Bundesgerichte, durchzieht. Geeignet deshalb, weil man ja durch die Bemängelung von Verfahrensverstößen leicht in den Verdacht kommen kann, man führe einen Stellvertreterkrieg gegen die Entscheidung in der Sache, denn es sei diese, die einem in Wahrheit nicht schmecke. Den Rechtsstreit …

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19. März 2011

Der Anfang vom Ende der unüberprüfbaren Kettenbefristung

Thomas Fuchs

Der Europäische Gerichtshof schleift im Befristungsrecht derzeit eine Feste nach der anderen. Mit seiner Entscheidung Deutsche Lufthansa AG könnte er nun auch den Anfang vom Ende der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eingeleitet haben, wonach es für die Wirksamkeit der Befristung des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich nur auf den zuletzt abgeschlossenen befristeten Arbeitsvertrag ankomme (ständige Rechtsprechung seit BAG, Urteil vom 8. Mai 1985 – 7 AZR 191/84, jurisRdnr. 24—27; zuletzt BAG, Beschluss vom 17. November 2010 – 7 AZR 443/09 [A], jurisRdnr. 14). Die Entscheidung erging auf einen Vorlagebeschluss des Bundesarbeitsgerichts betreffend die Vereinbarkeit einer nationalen Regelung wie § …

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