De legibus-Blog

24. Februar 2011

Veni, vidi, vici

Thomas Fuchs

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelte und entschied heute über einen von mir durch die Instanzen begleiteten Baurechtsfall. Ich habe an der mündlichen Verhandlung als Vertreter der klagenden Bauherrin gegenüber dem von uns eingeschalteten Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof Dr. Wendt Nassall teilgenommen. Der beklagte Architekt wurde von Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof Prof. Dr. Norbert Gross vertreten. Äußerlich bot der Gang der mündlichen Verhandlung für mich zunächst einige Überraschungen. Die Rechtsanwälte beim Bundesgerichtshof bleiben nach dem Einzug des Senats nämlich stehen, um nach Aufnahme der Anwesenheit durch den Vorsitzenden gemäß § 137 Abs. 1 ZPO sogleich die Anträge …

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21. Februar 2011

Rechtszweifel wegen akademischen Grads und Adelsbezeichnung?

Thomas Fuchs

Der wegen Plagiatsvorwürfen in der Kritik stehende „Dr.“ Karl Theodor […] „Freiherr von und zu“ Guttenberg stammt aus einer ehemals adeligen Familie und ist Mitglied der Christlich-Sozialen Union (CSU) in Bayern. Er leistete Wehrdienst und verwaltete das – vermutlich nicht im Schweiße des eigenen Angesichts erworbene – Familienvermögen. Im Jahr 2009 wurde er dann mit 37 Jahren erst Bundesminister für Wirtschaft und Technologie und kurz darauf Bundesminister der Verteidigung. Wegen besonderer Leistungen trat er bislag nicht hervor. Weshalb also ist er bei den Bildzeitungslesern so populär und weshalb steht er wegen zitatlosen Abschreibens vor allem …

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19. Februar 2011

Innocence not in danger: Guttenberg ist kein Raubkopierer

Thomas Fuchs

Wegen abgeschriebenen Doktorarbeiten kam es schon zu Strafverfahren, zum Beispiel im Fall „Kasper„. Auch im Fall „Guttenberg“ liegt, wie der Leitende Oberstaatsanwalt Thomas Janovsky von der Staatsanwaltschaft Bayreuth bestätigte und wie es in Deutschland nicht anders zu erwarten ist, bereits eine Strafanzeige vor. Angesichts des hier bestehenden besonderen öffentlichen Interesses wäre für die Durchführung des Verfahrens nicht einmal ein Strafantrag nach § 109 UrhG erforderlich. Unabhängig davon, ob die Vorwürfe gegen Herrn zu Guttenberg nun zutreffen, die betreffenden Passagen Schöpfungshöhe aufweisen und er bei einem Abschreiben derselben vorsätzlich handelte oder nicht, wird man ihn aber …

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12. Februar 2011

Paukenschlag aus Bad Salzungen – rechtsmethodischer Beitrag von Burschel

Thomas Fuchs

Hans-Otto Burschel, Direktor des Amtsgerichts Bad Salzungen, steht im Verdacht, früher nicht Recht im Namen des Volkes, sondern im Namen des Volkers gesprochen zu haben. Auch seit seiner Aufnahme als Experte im (fortschrittlich-stylisch klein geschriebenen) beck-blog fiel er insgesamt eher durch Klamauk auf. In seinem Beitrag zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung bei der Berechnung des nachehelichen Unterhalts (BVerfG, Beschluss vom 25. Januar 2011 – 1 BvR 918/10, bei lexetius.com ohne die vielen Tippfehler) scheint nun sogar so etwas wie rechtsmethodisches Interesse durch. Dass sich methodisch durchdrungenes Recht und täglich gelebte Rechtspraxis …

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10. Februar 2011

Kodifikationsrecht gegen Common Law

Thomas Fuchs

Die Law Society of England and Wales provozierte am 20. März 2008 mit der Broschüre „England and Wales: The jurisdiction of choice“ inzwischen bereits zwei konzertierte Reaktionen der Bundesnotarkammer, der Bundesrechtsanwaltskammer, des Deutschen Anwaltvereins, des Deutschen Notarvereins und des Deutschen Richterbunds. Diese gaben nämlich am 11. November 2008 die Broschüre „Law – Made in Germany. Global, effektiv, kostengünstig“ und am 7. Februar 2011 die Broschüre „Kontinentales Recht. Global, sicher, flexibel, kostengünstig“ heraus. Damit soll der Entwicklung entgegen gewirkt werden, dass kontinental-europäische Unternehmen nicht nur für internationale Vertragsverhältnisse, sondern immer öfter auch für rein nationale das …

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7. Februar 2011

Wendung um 360 Grad beim Bundesarbeitsgericht

Thomas Fuchs

Das Befristungsrecht befindet sich seit der Entscheidung Adeneler des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2006 in einem Prozess grundlegender Umwälzung (siehe nur EuGH, Urteil vom 4. Juli 2006 – C-212/04 – Adeneler; EuGH, Urteil vom 13. September 2007 – C-307/05 – Del Cerro Alonso; EuGH, Urteil vom 23. April 2009 – C-378/07 – Angelidaki). Maßstab dieser Rechtsprechung ist die Rahmenvereinbarung im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG. Bei der Auslegung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes vom 21. Dezember 2000 durch den dafür zuständigen 7. Senat des Bundesarbeitsgerichts spielte diese Rahmenvereinbarung zunächst keine Rolle. Umso größeres Aufsehen erregten deshalb …

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22. Januar 2011

Typografie und rechtsprechende Gewalt

Thomas Fuchs

Die Staatsgewalt wird nach Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG unter anderem durch Organe der Rechtsprechung ausgeübt. Unabänderlicher Maßstab der Rechtsprechung ist hierbei nach den Artt. 20 Abs. 3, 79 Abs. 3 GG das Rechtsstaatsprinzip. Im Mittelpunkt unseres von den Gerichten befriedeten Gemeinwesens steht also das Recht. Von allgemeiner Bedeutung ist dabei nicht das in imposanten Gerichtsgebäuden „gesprochene“, sondern das geschriebene, also schriftlich fixierte und veröffentlichte Recht. Macht wird gemeinhin mit Form betont. Es wäre also zu erwarten, dass die von der rechtsprechenden Gewalt produzierten Rechtstexte typografischen Anforderungen genügen. Mit der Typografie werden Inhalt, …

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5. Dezember 2010

Reichstagsprotokolle online: Eine Fundgrube des Rechts

Thomas Fuchs

Wer sich über die Geschichte der Arbeitsgerichtsbarkeit informieren will, findet in den einschlägigen Kommentaren zum Arbeitsgerichtsgesetz (zum Beispiel Claas-Hinrich Germelmann et al., Arbeitsgerichtsgesetz. Kommentar, 7. Auflage 2009; Rudi Müller-Glöge/Ulrich Preis/Ingrid Schmidt, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 11. Auflage 2011; Klaus Hümmerich†/Winfried Boecken/Franz Josef Düwell, AnwaltKommentar Arbeitsrecht, 2. Auflage 2009) buchstäblich nichts. Bei der Kommentierung der einzelnen Paragrafen werden nicht einmal Bezüge zur ursprünglichen Gesetzesbegründung hergestellt. Ich habe das vor allem anhand der Kommentierung zu § 54 ArbGG über die arbeitsgerichtliche Güteverhandlung festgestellt. Das derzeit geltende Arbeitsgerichtsgesetz vom 3. September 1953 (BGBl. I 1953 S. 1267) geht …

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28. November 2010

Staatliche „Rassenhygiene“ bereits während der Weimarer Republik?

Thomas Fuchs

Ich habe gerade das Reichsgesetzblatt Teil II 1923 quergelesen, um mein Buch „Fundstellen deutscher Reichs- und Bundesgesetze“ voranzubringen. In den Grundsätzen für den Vollzug von Freiheitsstrafen vom 7. Juni 1923 (RGBl. II 1923 S. 263) stieß ich dabei zu meinem Erstaunen auf den Begriff „geistig Minderwertige“. Cornelia Schmitz-Berning (Vokabular des Nationalsozialismus, Berlin, 2000, S. 407) schreibt, im NS-Staat habe der Ausdruck „minderwertig“ im Kontext des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses vom 14. Juli 1933 (RGBl. I 1933 S. 529), des Gesetzes zum Schutze der Erbgesundheit des deutschen Volkes (Ehegesundheitsgesetz) vom 18. Oktober 1935 (RGBl. I …

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27. November 2010

Historischer Tag für Urheber in Arbeits- oder Dienstverhältnissen

Thomas Fuchs

Der 12. Mai 2010 war, wie erst jetzt bekannt wurde, für die Urheber in Arbeits- oder Dienstverhältnissen ein historischer Tag. An diesem Tag gab der Bundesgerichtshof nämlich zum ersten Mal seit dem Inkrafttreten des § 43 UrhG am 1. Januar 1966 einem Beamten in einem Urheberrechtsstreit mit seinem Dienstherrn Recht. Insgesamt handelt es sich erst um die dritte Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu dieser Vorschrift. Mit Rücksicht auf die beiden noch dazu ergangenen Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts dauert es durchschnittlich 8,8 Jahre, bis sich einmal ein oberstes Bundesgericht zu diesem Rechtsgebiet äußert: BGH, Urteil vom 22. Februar …

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Bundesgerichtshof watscht Oberlandesgericht Düsseldorf erneut wegen Verteidigerhonorar ab

Thomas Fuchs

Mein erster Blog-Beitrag handelte von Neid und Missgunst am Oberlandesgericht Düsseldorf. Der dortige 24. Zivilsenat hatte sich angemaßt, die frei vereinbare Honorarform, den nur 28 % über dem Durchschnitt liegenden vereinbarten Stundensatz und die tatsächliche Bearbeitungszeit eines Strafverteidigers zu kritisieren. Und das geschah wohlgemerkt bereits im zweiten Durchgang, also nachdem der Bundesgerichtshof das erste Berufungsurteil aufgehoben hatte. Nunmehr liegt die zweite Revisionsentscheidung des Bundesgerichtshofs vor. Darin geht der IX. Zivilsenat in seiner Kritik sogar noch weiter. Es kommt mit Rücksicht auf den Beibringungsgrundsatz nicht einmal auf die Wirksamkeit der Klausel über den Zeittakt von 15 …

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24. November 2010

Bürgerliches Gesetzbuch: Änderungsorgie in Zahlen und Diagrammen

Thomas Fuchs

Das Bürgerliche Gesetzbuch vom 18. August 1896 ist inzwischen seit 110 Jahren in Kraft. In der Rechtswissenschaft existiert es, glaubt man der üblichen Konzeption juristischer Kommentare, nur in der „aktuellen“ Fassung. In der Rechtspraxis scheint es immerhin ein „altes“ Bürgerliches Gesetzbuch, das bis zum 31. Dezember 2001 galt, und ein „neues“, das seit dem 1. Januar 2002 gilt, zu geben. Der Umstand, dass es sich bei diesem „Gesetz“ eigentlich um ein Flickwerk aus 243 Gesetzen handelt, ist dabei den Wenigsten bewusst. Das Diagramm zeigt die Verteilung dieser Gesetze über die Jahrzehnte. In den ersten 70 …

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21. November 2010

Umgekehrte Psychologie im Recht

Thomas Fuchs

Die werkvertragsrechtliche Verjährungsfrist von fünf Jahren beginnt nach § 638 Abs. 1 S. 2 BGB 1900 und nach § 634a Abs. 2 BGB 2002 „mit der Abnahme“. Wenn die Abnahme des Werks weder erklärt noch ernsthaft und endgültig verweigert wird, würde die Verjährung von Mängelrechten bei wörtlichem Verständnis dieser Vorschriften also nie beginnen. Diese Situation ist beim immateriellen Werk des Architekten gar nicht so selten. Sie gewinnt vor allem dann an Bedeutung, wenn sich ein nicht mehr nachbesserungsfähiger Mangel des Architektenwerks im Bauwerk verwirklicht. Der Besteller kann dann nämlich – jedenfalls nach den §§ 634, …

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14. November 2010

Die Strafe der Hauswüstung und der Fall des Straftäters Josef Fritzl

Thomas Fuchs

Das in der deutschen Presse als „Inzesthaus“ und bei den jedenfalls mit Begrifflichkeiten wohl etwas zimperlicheren Österreichern als „Horrorhaus“ bezeichnete Wohnhaus des Straftäters Josef Fritzl in der Ybbsstraße 40, 3300 Amstetten, Österreich, wird abgerissen. Vordergründig soll dies im Konkursverfahren zu einer Wertsteigerung des unverkäuflichen Grundstücks führen. Eigentlich geht es aber darum, den Schandfleck der Stadt abzutragen und aus der Erinnerung zu tilgen. Hieran bestehe, so heißt es selbst vom Konkursrichter Markus Sonnleitner, ein großes Interesse. Dem rechtshistorisch interessierten Juristen fällt dazu der Begriff der Hauswüstung ein. Dabei handelte es sich um eine noch in hochmittelalterlichen …

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11. November 2010

Die Geschichte einer Katastrophe: 114 Jahre bürgerliches Intertemporalrecht

Thomas Fuchs

Mein „Bürgerliches Gesetzbuch vom 18. August 1896. Historisch-synoptische Edition. 1896—2010“ und die damit verbundene kritische Betrachtung der Rechtsquellen scheint inzwischen in der Rechtswirklichkeit angekommen zu sein. Einem Kollegen aus Frankfurt am Main fiel im Zusammenhang mit der dort dargestellten Entwicklung des § 495 BGB die merkwürdige Überleitungsvorschrift nach Art. 229 § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EGBGB auf. Diese sieht die Anwendung des § 495 BGB in der Fassung vom 1. August 2002 für Schuldverhältnisse, die nicht durch Haustürgeschäfte zustande kamen, erst ab dem 1. November 2002 vor. Es erscheine deshalb sinnvoll, meine …

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6. November 2010

Nicht-Verurteilter muss einrücken

Thomas Fuchs

Dem Bundesverfassungsgericht lag am 10. September 2010 ein kurioser Fall (2 BvR 2242/09) vor. Der Beschwerdeführer wendete sich gegen die Ablehnung der Berichtigung eines Strafurteils. Er sei trotz übereinstimmender Personalien nicht die in der Hauptverhandlung erschienene und verurteilte Person und habe auch mit dem der Verurteilung zugrunde liegenden Sachverhalt nichts zu tun. Der wahre Täter und Verurteilte sei ein anderer. Der Beschwerdeführer habe diesem zeitweise seinen Ausweis überlassen. Nachdem der Beschwerdeführer zur Hauptverhandlung geladen worden sei, habe ihm der wahre Täter versprochen, die Sache zu regeln. Dieses Versprechen hielt der wahre Täter offenbar nicht ein …

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10. Oktober 2010

Raubkopieren ist doch gar nicht strafbar

Thomas Fuchs

Die mit öffentlichen Mitteln der Filmförderungsanstalt unterstützte „Aufklärungskampagne“ der deutschen Filmbranche tönt seit 2003, Raubkopierer seien Verbrecher. Dies wird uns „Verbrauchern“ zum Antrainieren eines – im Gegenschluss offenbar fehlenden – Unrechtsbewusstseins regelmäßig im Kino und zu Hause beim Abspielen von Filmen auf DVD eingetrichtert. Seinen sachlichen Gehalt soll diese Behauptung im Vergehen der unerlaubten Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke nach § 106 Abs. 1 UrhG haben. Dessen Wortlaut wird nicht nur von der Filmbranche wie folgt kolportiert: „Wer in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen ohne Einwilligung des Berechtigten ein Werk oder eine Bearbeitung oder Umgestaltung …

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6. Oktober 2010

„Richter Bärli“ vom „Bundesbärengericht“

Thomas Fuchs

Die Geduld des Bundesverfassungsgerichts mit rechtsmissbräuchlichen Verfassungsbeschwerden im Sinn des § 34 Abs. 2 BVerfGG scheint erschöpft zu sein. In letzter Zeit häufen sich nämlich Beschlüsse, mit denen das Bundesverfassungsgericht Beschwerdeführern oder deren Prozessbevollmächtigten eine Missbrauchsgebühr auferlegt. So entschied das Bundesverfassungsgericht jetzt auch wieder mit Beschluss vom 14. September 2010 – 1 BvR 2070/10. Dabei störte es sich insbesondere an der Mitteilung der Beschwerdeführerin, dass „Richter Bärli“ vom „Bundesbärengericht“ zwei Tage über eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts geweint habe. Ihr völlig neben der angegriffenen Entscheidung liegendes Vorbringen habe sie zuletzt durch den Hinweis vertieft, es könne …

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4. Oktober 2010

Juristische Gedankenkunst

Thomas Fuchs

Ich bin immer wieder beeindruckt vom Anspruch US-amerikanischer juristischer Zeitschriften. Nehmen wir zum Beispiel das Duke Law Journal. Der Leitaufsatz der Oktober-Ausgabe umfasst 130 Seiten. Erwünscht sind nicht nur dort 40 bis 70 Seiten. Beides wäre bei uns völlig undenkbar, selbst bei Zeitschriften wie dem Archiv für die civilistische Praxis oder dem Archiv des öffentlichen Rechts. Große, eigenständige Entwürfe sind mit den gegebenen Seitenlimits, bei den Praktikerzeitschriften höchstens acht bis zehn Seiten und bei den Wissenschaftszeitschriften nicht mehr als 20 bis 30 Seiten, bei uns nicht möglich. Stattdessen herrscht der in Kurzformate gepresste Zeitgeist, der …

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15. August 2010

Auch Untreue ist doch gar nicht strafbar

Thomas Fuchs

Das Bundesverfassungsgericht beschloss am 23. Juni 2010, der Untreuetatbestand des § 266 Abs. 1 StGB sei mit dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG zu vereinbaren (BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 – 2 BvR 2559/08). Die Vorschrift des § 266 Abs. 1 StGB laute: „Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil …

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31. Juli 2010

Anlässlich des Loveparade-Unglücks: Fahrlässige Tötung ist doch gar nicht strafbar

Thomas Fuchs

Die Berichterstattung über das tragische Loveparade-Unglück in Duisburg, das 21 Menschen das Leben kostete, war von Anfang an nicht von sachlicher Ursachenanalyse, sondern reflexartig von der sich erst daran anschließenden Frage bestimmt, ob jemand und wenn ja, wer dafür verantwortlich ist. Im Mittelpunkt der Hexenjagd stehen der Veranstalter der Loveparade Rainer Schaller, der die Veranstaltung genehmigende Oberbürgermeister Adolf Sauerland und die polizeilichen Einsatzkräfte vor Ort. Schuld will keiner gewesen sein. Und am Ende wird, trotz möglicherweise festzustellenden fahrlässigen Verhaltens, vielleicht auch keiner wegen fahrlässiger Tötung bestraft werden. Das Strafrecht ist kein technisches Hilfsmittel zur Effektivierung …

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21. Juli 2010

Der Bund und die Kommunisten

Thomas Fuchs

Der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts, der es bereits kürzlich mit dem Grundgesetz nicht so genau nahm, als es darum ging, überwachungsstaatlichen Strukturen Vorschub zu leisten (Der Bund und die Hooligans), entschied am 21. Juli 2010 über die Klage von Bodo Ramelow, eines Parlamentsabgeordneten für die Partei Die Linke, mit der er sich gegen die Sammlung personenbezogener Informationen über ihn durch das Bundesamt für Verfassungsschutz wandte. Nachdem der Kläger in beiden Vorinstanzen überwiegend Erfolg hatte, wurde die Revision der Bundesrepublik Deutschland vom Bundesverwaltungsgericht zugelassen, weil sie zur Beantwortung der Frage beitragen könne, inwieweit die Erhebung personenbezogener …

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18. Juli 2010

Sich-Bergen und Dachdings-Auftragen: „verwelckte Hülsen eines captirten alten Wörter Krams“

Thomas Fuchs

Meine kürzlich unternommene Exkursion zum Reichskammergerichtsmuseum in Wetzlar wurde durch reiche Beute in Form einer den historischen Sachverhalt und die damalige rechtliche Würdigung anschaulich beleuchtenden Fallstudie der Gesellschaft für Reichskammergerichtsforschung belohnt (Oestmann, Germanisch-deutsche Rechtsaltertümer im Barockzeitalter – eine Fallstudie, Schriftenreihe der Gesellschaft für Reichskammergerichtsforschung, Heft 26, Wetzlar, 2000). Die Studie einschließlich des zugrunde liegenden Falls ist so spannend, dass ich hier eine Zusammenfassung liefern und eine Empfehlung zur Lektüre aussprechen möchte: Am 29. März 1734 heiratete Michael Schröder in dritter Ehe die 17-jährige, zwanzig Jahre jüngere Anna Sara Wessel. Diese war die Tochter des verstorbenen …

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5. Juli 2010

Das verlogene Gesetz

Thomas Fuchs

Gerhard Strate entwickelt in seinem lesenswerten Aufsatz „Ende oder Wende des Strafzumessungsrechts?“ (NStZ 2010, 362—366) die These, das Strafzumessungsrecht, der alten Schule jedenfalls, sei spätestens mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren vom 29. Juli 2009 (BGBl. I 2010, 2353—2354) tot. Selten sei ein Gesetz und seine Begründung so widersprüchlich – man könne auch sagen: verlogen – gewesen. An die 60 Jahre „Rechtsentwicklung“ haben dabei tatsächlich Erstaunliches zu Stande gebracht. 1951 urteilte der Bundesgerichtshof noch, das Prozessverhalten des Angeklagten (Leugnen oder Geständnis) dürfe nicht um seiner selbst willen als Strafzumessungsgrund berücksichtigt …

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