De legibus-Blog

10. Februar 2011

Kodifikationsrecht gegen Common Law

Thomas Fuchs

Die Law Society of England and Wales provozierte am 20. März 2008 mit der Broschüre „England and Wales: The jurisdiction of choice“ inzwischen bereits zwei konzertierte Reaktionen der Bundesnotarkammer, der Bundesrechtsanwaltskammer, des Deutschen Anwaltvereins, des Deutschen Notarvereins und des Deutschen Richterbunds. Diese gaben nämlich am 11. November 2008 die Broschüre „Law – Made in Germany. Global, effektiv, kostengünstig“ und am 7. Februar 2011 die Broschüre „Kontinentales Recht. Global, sicher, flexibel, kostengünstig“ heraus. Damit soll der Entwicklung entgegen gewirkt werden, dass kontinental-europäische Unternehmen nicht nur für internationale Vertragsverhältnisse, sondern immer öfter auch für rein nationale das englische oder US-amerikanische Recht (Common Law) wählen. Hierzu werden in der ersten Broschüre die Vorzüge speziell des deutschen Rechts und in der zweiten nun auch die des Kodifikationsrechts im Allgemeinen beworben.

Als Angehöriger der deutschen Rechtsordnung kann ich das nur begrüßen. Dabei spreche ich weniger als Patriot, sondern mehr als Praktiker. Wer schon einmal einen nach den Vorstellungen des Common Law geschlossenen englischsprachigen Immobilien- und Bauvertrag betreffend ein Grundstück im Inland, bei dem offensichtlich § 311b BGB nicht beachtet wurde, vor sich hatte, weiß wovon ich rede. Ich habe mich in dem damaligen Streitfall, offenbar schon als dritter, entschlossen, die gewünschte Vertretung trotz großzügiger Vergütung abzulehnen. Es bestehen nämlich schon Zweifel daran, ob eine derartige Tätigkeit überhaupt berufshaftpflichtversichert ist.

In der aktuellen Broschüre wird nun aber unter der Überschrift „Recht auf vollständige und schnelle Erfüllung des Vertrags“ zu pauschal argumentiert. Eine bedeutende Stärke des Kodifikationsrechts bestehe darin, dass die geschuldete Leistung unmittelbar eingefordert werden könne. Der Schuldner sei nicht berechtigt, sich hiervon durch die Zahlung einer Geldsumme zu befreien. Das Common Law beruhe demgegenüber auf dem entgegengesetzten Prinzip. Die Verletzung vertraglicher Pflichten könne grundsätzlich nur durch die Zuerkennung von Schadensersatz geahndet werden (Seite 9). Durch das Kodifikationsrecht werde das berechtigte Vertrauen des Gläubigers in die Erfüllung der vereinbarten Leistungspflicht demnach wirksamer geschützt. Dieses gewährleiste ein höheres Maß an Rechtssicherheit und stelle die an der Vertragsdurchführung interessierte Partei – etwa bei einer auf deren individuelle Bedürfnisse zugeschnittenen Leistung – wirtschaftlich besser (Seite 10).

Es ist zwar durchaus richtig, dass Erfüllungsansprüche eingeklagt werden können. Abgesehen von der Erwirkung der Herausgabe, der Leistung von Sachen und der nicht vertretbaren Handlung endet der Gläubiger in der deutschen Zwangsvollstreckung nach § 887 Abs. 1, Abs. 2 ZPO aber ebenfalls bei einer Geldzahlung. Das gilt insbesondere für Werkleistungen. Der theoretische Unterschied zwischen Schadensersatz nach Common Law und Vorschuss für Aufwendungsersatz nach deutschem Recht sei dabei einmal dahin gestellt. Der letztere Anspruch hat dann allerdings wieder den Vorzug, dass seine Höhe in der Zwangsvollstreckung nicht mehr ernsthaft überprüft wird.

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