Gerade einmal drei Wochen seit dem Inkrafttreten des Konsumcannabisgesetzes hat der Bundesgerichtshof eine Grundsatzentscheidung getroffen. So glaubt es sein 1. Strafsenat zumindest, der – am letzten Montag – eine Pressemitteilung mit dem markigen Titel „Konsumcannabisgesetz – Bundesgerichtshof setzt Grenzwert der nicht geringen Menge für Tetrahydrocannabinol (THC) auf 7,5 g fest” und gleichzeitig den dazugehörigen Beschluß – 1 StR 106/24 – im Volltext veröffentlichen ließ. Der Beschluß selbst datiert vom 18. April 2024, und das ist die zweite zeitliche Auffälligkeit. Nur vier Tage brauchte der Senat nach der Beschlußfassung für die Fertigstellung der Gründe – rekordverdächtig, …
25. April 2024
Der Bundesgerichtshof hat keinen Grenzwert für THC „festgesetzt”
BGH Gesetzesbindung Richterliche Findigkeit Strafrecht
25. Juli 2021
Wenn der Populismus an die Tür der Justiz klopft
Auslieferung Medienkritik Richterliche Findigkeit Strafprozess Strafrecht
Inhaltsverzeichnis Einleitung Wenn Richter Schnappatmung bekommen Wenn Richter das Strafrecht umschreiben Wenn Richter zuviel entscheiden Wenn Richter übergriffig werden Wenn Richter die Rechnung ohne den Wirt machen Wenn Richter zuwenig entscheiden Wenn Angeklagte nach allem doch ausgeliefert werden Cum/ex ist wieder in aller Munde. Zwei Ereignisse markieren die Saison: Der BGH wird nächsten Mittwoch erstmals über diesen – angeblich – „größten Steuerraubzug in der deutschen Geschichte“ urteilen (1 StR 519/20). Und vor zwei Wochen wurde – auf Bitten der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main – der Mann in der Schweiz verhaftet, der als Architekt von Cum/ex …
2. Juni 2021
Der Richter und sein Lenker – Von Rechtsbeugung und anderen schrägen Sachen
Justizdienst Rechtsbeugung Richterliche Findigkeit Staatsanwaltschaft Strafprozess Strafrecht
Inhaltsverzeichnis Einleitung Ein „ausbrechender Rechtsakt“ Um was ging es eigentlich? Was ist verdächtig? Das Imperium schlägt zurück Als Anfang April ein Familienrichter am Amtsgericht Weimar per einstweiliger Anordnung zwei Weimarer Schulen verbot, ihren Schülern aufzugeben, gegen ihren Willen Masken zu tragen, Mindestabstände einzuhalten und an Coronavirus-Schnelltests teilzunehmen (Beschluß vom 8. April 2021 – 9 F 148/21), war die Aufregung groß. Der Beschluß ist vor drei Wochen vom OLG Jena aufgehoben worden, aus zutreffenden Gründen, wie ich finde (Beschluß vom 14. Mai 2021 – 1 UF 136/21). Das Hauptsacheverfahren ist noch vor dem Familienrichter anhängig. Aber …
27. Juli 2015
Die urbane Legende von Eduard Dreher
Rechtsbeugung Rechtsgeschichte Richterliche Findigkeit Strafprozess Strafrecht
Wie es scheint, wäre ein Kommentar zur Verurteilung von Oskar Gröning unvollständig ohne eine Erwähnung des – lange verstorbenen – Ministerialbeamten und Strafrechtskommentators Eduard Dreher. In meinem letzten Beitrag hatte ich ihn erwähnt und kurz darauf hatte er auch seinen Auftritt in der wöchentlichen Kolumne des BGH-Richters Thomas Fischer („NS-Verbrecher: Oskar Gröning und die Beihilfe„). Wer war Eduard Dreher? Wer, wie ich, Jura im letzten Jahrhundert studierte, dem ist der Name zumindest noch als einer der Titelgeber des wichtigsten Praxiskommentars zum StGB aus der Reihe der Kurzkommentare des Verlags C. H. Beck bekannt (heute nur …
30. September 2014
Hessische Verhältnisse am hessischen Staatsgerichtshof
Meiner Meinung nach hat der Oberste Gerichtshof der USA auf lange Zeit sein Prestige verspielt, als er sein Urteil im Verfahren Bush gegen Gore sprach. Die Glaubwürdigkeitsblamage, von der er sich erst in kommenden Richtergenerationen erholen dürfte, lag nicht im Inhalt dieser Entscheidung vom Dezember 2000, mit der dem Präsidentschaftsbewerber George W. Bush im Ergebnis der Wahlsieg zugesprochen wurde, sondern in der Art ihres Zustandekommens: Wie gut oder wie schlecht die Gründe für diese Entscheidung auch immer gewesen sein mögen – fadenscheinig und peinlich war es, daß die neun Richter des Gerichts genau entlang der …
1. August 2013
Günter Schaub und die mutige Tat
BAG Richterliche Findigkeit Zivilprozess
Das Bundesarbeitsgericht hatte seinen Sitz nach § 40 Abs. 1 ArbGG 1953 in der Zeit vom 1. Oktober 1953 bis zum 19. März 1996 bekanntlich in Kassel. Die Senate des Bundesarbeitsgerichts konnten nach § 40 Abs. 1 S. 2 ArbGG 1994 (und § 40 Abs. 1a S. 2 ArbGG 1996) seit dem 23. September 1994 Sitzungen aber auch in Erfurt abhalten. Günter Schaub, der damals Vorsitzender des 4. Senats dieses Gerichts war, hielt dagegen ausweislich einer Reihe von Entscheidungen jedenfalls schon seit dem 21. April 1993, 9.00 Uhr, Sitzungen in Erfurt ab (BAG, Beschluss vom …
9. Juni 2013
Wird die Bremer Justiz den BGH austricksen?
BGH Richterliche Findigkeit Strafprozess Strafrecht
Wie geht die Strafjustiz mit Fehlern um, wie steht es um ihre Fehlerkultur? Diese Frage stellt sich nicht erst seit dem Fall Mollath. Wer in der öffentlichen Diskussion Fehlentwicklungen kritisiert, dem wird oft aus Richter- und Staatsanwaltskreisen geantwortet: Es gebe ihn doch, den wirksamen Fehlervermeidungsmechanismus – nämlich das Rechtsmittelsystem. Wie wirksam dieser Mechanismus wirklich ist, läßt sich am Fall des seit 2005 anhängigen Bremer Brechmittelprozesses studieren. Bereits zweimal hat der BGH Entscheidungen des LG Bremen aufgehoben, mit denen der angeklagte Polizeiarzt (genauer: Arzt beim Beweissicherungsdienst am Institut für Rechtsmedizin) freigesprochen worden war. Der Arzt hatte …
24. Juni 2012
Verhaltensgestörte Juristen
BGH Justizdienst Rechtsbeugung Richterliche Findigkeit Staatsanwaltschaft Strafprozess Strafrecht
Alfred Hitchcock erzählte gerne diese Anekdote aus seiner Kindheit: Sein Vater schickte ihn mit einer verschlossenen Nachricht auf die Polizeiwache. Der diensthabende Wachtmeister nahm den Zettel entgegen, las ihn aufmerksam und führte daraufhin den Jungen wortlos in den hinteren Teil der Wache. Dort waren die Zellen und ehe der kleine Alfred wußte, wie ihm geschah, hatte der Polizist ihn eingeschlossen. Nach einer Weile ließ er den verängstigten Jungen wieder gehen und gab ihm die Ermahnung mit auf den Weg: „So ergeht es Kindern, die unartig sind.“ Hitchcock hatte, berichtete er, aufgrund dieser Erfahrung zeitlebens Angst …
18. Dezember 2011
Kippt das Bundesverfassungsgericht? Und wenn ja, wohin?
BVerfG Rechtsbeugung Richterliche Findigkeit Wehrrecht
Rudolf Mellinghoff, bisher Richter am Bundesfassungsgericht, gab, kurz bevor er am 31. Oktober 2011 sein neues Amt als Präsident des Bundesfinanzhofs antrat, der taz ein Interview. Er legte dort ein beeindruckendes Bekenntnis zu einem hohen Grundrechtsniveau bei strafprozessualen Maßnahmen ab. Unter anderem durch diese Äußerung: Die Polizei hat aber auch schon Tagebücher beschlagnahmt und das Bundesverfassungsgericht hat dies gebilligt. Das war eine ganz knappe und umstrittene Entscheidung vor meiner Zeit. Wie würden Sie heute entscheiden? Ich würde zumindest die gerichtliche Verwertung privater Äußerungen in einem Tagebuch für unzulässig halten. Auch wenn darin über begangene Straftaten …
16. Oktober 2011
Ungeeignete Senatsvorsitzende am BGH: Wenn Richter befremdet sind
BGH Justizdienst Richterliche Findigkeit
Armin Nack („BGH-Nack“) ist ein Richter, der offenbar leicht zu befremden ist. Wehe dem, der bei dem Vorsitzenden des 1. Strafsenats des BGH das Befremden ausgelöst hat, etwa durch mangelnde Bravheit und Anpassung! Die Wucht eines solchen Befremdens brachte den Münchener Strafverteidiger Stephan Lucas wegen Strafvereitelung auf die Anklagebank. Und sie hat auch das Zeug dazu, den Richter am BGH Thomas Fischer („Fischer“, früher „Tröndle/Fischer“) um eine Beförderung zum Vorsitzenden des 2. Strafsenats zu bringen. Ja, der Bannstrahl des Nack’schen Befremdens könnte sogar die Auslöschung des 2. Strafsenats bewirken. Im Fall Lucas hatte die Augsburger …