De legibus-Blog

9. Dezember 2012

Bloggender Professor: Alle hoeren auf ihn

Thomas Fuchs

Das eigentlich Faszinierende am Bloggen ist die Zeit nach der Veröffentlichung eines Beitrags. Anhand der Blog-Statistik lässt sich unmittelbar beobachten, wie oft ein Text abgerufen und wohl auch gelesen wird. Es ist ein schönes Gefühl, wenn die Abrufzahlen steigen. Hohe Abrufzahlen spornen dazu an, die Mühen für den nächsten Beitrag auf sich zu nehmen. Mit unserem kleinen De legibus-Blog sind wir nun seit zweieinhalb Jahren dabei. Einige unserer Beiträge konnten inzwischen durchaus beachtliche Erfolge feiern, an der Spitze „Juris im Spiegel des SPIEGEL„, „Apple gegen Samsung: Ein teurer anwaltlicher Kunstfehler„, „Justiz im Wahn-Wahn„, „Raubkopieren ist doch gar nicht strafbar“ und „Bundesgerichtshof: Die schiere Freude am Strafen„. Sich mit anderen zu messen, liegt dabei in der Natur der Sache. Der Wettbewerbsgedanke wird dabei vor allem durch Meta-Blogs, im deutschsprachigen juristischen Internet vor allem JuraBlogs, angefacht. Soweit Mitbewerber Abrufzahlen veröffentlichen, sind diese natürlich von besonderem Interesse.

Prof. Dr. Thomas Hoeren, derzeit Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Münster, ist ein vom Erfolg verwöhnter Autor. Seine Publikationsliste umfasst viele Bücher und zahlreiche in angesehenen Zeitschriften untergebrachte Aufsätze. Neuauflagen seines Kompendiums zum Internetrecht werden von heise online sogar regelmäßig mit einer Meldung zelebriert (Meldungen vom 26. Februar 2009, 9. Oktober 2010, 25. März 2011 und 3. November 2011). Im beck-blog ist Hoeren nicht nur Experte, sondern ausweislich der Abrufzahlen seiner Beiträge auch ein Star (hier von 97 Stück die jüngsten acht):

Beitrag Abrufe
97. EuGH verkannt: Geheimnisträger und die Auftragsdatenverarbeitung 7.646
96. Ist die GEMA mafiös? 20.126
95. Michael Burat: Zwei Jahre Haft auf Bewährung 11.922
94. GEMA und Youtube: Der Kampf ums Urheberrecht 9.249
93. Warum Tatort-Krimis immer schlechter werden: Der offene Brief der Drehbuchautoren 15.215
92. Was man von Jurastudenten so an Anfragen bekommt: Ein Hilferuf aus Potsdam 15.108
91. Das Dimitrovgrad-Experiment: Facebook in Bulgarien 8.668
90. Der Bundespräsident und das Vertragsrecht 11.450
(siehe Anhang)

Ich habe die Abrufzahlen der Beiträge von anderen Autoren im beck-blog nicht systematisch ausgewertet, aber beim Durchblättern des Blogs kommt der Eindruck auf, dass Abrufe ab 2.000 ins Überdurchschnittliche übergehen.

Mein Mit-Blogger Oliver García bietet auf dejure.org eine Nachrichten/Beiträge-Spalte an, in der – wie bei einem RSS-Newsreader – auch die Beiträge des beck-blogs ausgewertet werden. Darüber fielen ihm immer wieder einmal Beiträge von Hoeren auf, die bereits nach wenigen Minuten erfreulich hohe Abrufzahlen aufwiesen. Wir haben uns bislang nur darüber ausgetauscht, es dann aber auf sich beruhen lassen. Beim aktuellen Beitrag 97 mit dem Titel “EuGH verkannt: Geheimnisträger und die Auftragsdatenverarbeitung” sind wir der Sache aber einmal nachgegangen.

Der Beitrag wurde laut RSS-Feed am 2. Dezember 2012 um 15:04 Uhr (entspricht 14:04 Uhr nach der angegebenen Zeitzone UTC+0h) veröffentlicht. Bereits 23 Minuten später (15:27 Uhr) soll der Beitrag schon sagenhafte 3.161 mal abgerufen worden sein (siehe Screenshot). Weitere zwölf Minuten später (15:39 Uhr) sollen es sogar 5.071 Abrufe gewesen sein. In den gleichen zwölf Minuten stieg der Zähler beim vielbeachteten, damals schon drei Tage alten Beitrag von Prof. Dr. Henning Müller zum Fall Mollath von 4.665 auf 4.678 Abrufe. In diesen Zeiträumen lag die aktuelle Benutzerzählung stabil im Bereich von „140 Nutzer online“. Diese Auffälligkeiten schilderte ich mit E-Mail vom 2. Dezember 2012 dem zuständigen Ansprechpartner bei der Verlag C. H. Beck oHG, Patrick „Paddy“ Romer, um vor diesem Beitrag Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Hoeren erhielt davon eine Durchschrift.

Romer antwortete mit E-Mail vom 3. Dezember 2012, er wolle das angesprochene Thema gern im Laufe des Tages mit mir erörtern. Im darauf am Nachmittag des Tages zustande gekommenen Telefonat teilte er mit, Hoeren hätte sich dazu inzwischen in „mehreren“ E-Mails geäußert. Die hohe Abrufzahl sei danach durch Aggregator- und Multiplikator-Websites wie JuraBlogs zustande gekommen. Ich rief daraufhin noch während des Telefonats JuraBlogs auf und fand nach einigem Suchen auch den fraglichen Beitrag. Er war dort bislang 35 mal abgerufen worden (siehe Screenshot). Damit konfrontiert bot Romer ungefragt eine statistische Auswertung der Logs an. Eine solche blieb, obwohl ich mit E-Mail vom 4. Dezember 2012 noch mitteilte, dass der vorliegende Beitrag für Sonntag Nachmittag geplant sei, aus.

Wir können bei der weiteren Analyse daher nur mit Bordmitteln arbeiten. Auf JuraBlogs gibt es eine 365 Tage zurück reichende Statistik populärer Beiträge, die sich auch auf einzelne Blogs beschränken lässt. Damit sind für die oben genannten Beiträge 90—97 bezogen auf den gegenwärtigen Zeitpunkt folgende Abrufzahlen rekonstruierbar:

beck-blog JuraBlogs
97. 7.646 41
96. 20.126 242
95. 11.922 162
94. 9.249 55
93. 15.215 219
92. 15.108 951
91. 8.668
90. 11.450 260

Die im beck-blog angezeigten hohen Abrufzahlen stehen danach in keinem Verhältnis zu den Abrufzahlen auf JuraBlogs. Lediglich die Beiträge 90, 92, 93 und 96 waren nach den dortigen Werten im Durchschnitt überhaupt halbwegs populär. Davon fällt nur der Beitrag 92 aus dem Rahmen; dieser erzielte hohe Aufmerksamkeit. Eine weitere Auffälligkeit ergibt sich bezüglich der Kommentare zu den Beiträgen:

Abrufe Kommentare Frequenz
97. 7.646 0
96. 20.126 24 839
95. 11.922 13 917
94. 9.249 5 1850
93. 15.215 39 390
92. 15.108 34 444
91. 8.668 9 963
90. 11.450 23 498

Der aktuelle Beitrag 97 wurde, obwohl er im beck-blog derzeit den zweiten Platz der meist gelesenen Beiträge einnimmt (siehe Screenshot, Kasten im rechten oberen Bereich), kein einziges Mal kommentiert. Ansonsten werden die Beiträge bezogen auf die Abrufzahlen nur in sehr großen Abständen einmal kommentiert. Durchschnittlich liegt die Frequenz für die vorgenannten Beiträge 90—97 bei 738 Abrufen pro Kommentar. Bei den letzten acht Beiträgen Müllers beträgt die durchschnittliche Frequenz dagegen 345.

Wie lassen sich diese Auffälligkeiten nun erklären? Ich sehe, ohne im Besitz der Wahrheit zu sein und nur bezogen auf den aktuellen Beitrag 97, eigentlich nur drei Erklärungsmöglichkeiten, und zwar geordnet vom Unwahrscheinlicheren zum Wahrscheinlicheren:

  1. Es ist nicht völlig auszuschließen, dass jemand von außen bestimmte Beiträge automatisiert abruft, um die Abrufzahlen künstlich zu erhöhen. Dazu passt, dass sich die Kennzahl „Nutzer online“ nicht entsprechend signifikant erhöht, da ein solcher Abrufroboter als ein einziger Nutzer gezählt werden würde. Ganz entscheidend dagegen spricht aber die Integrität der beck-blog-Autoren und ihres Umfeldes. Derartiges hätten diese einfach nicht nötig.
  2. Es ist nicht undenkbar, dass ein Star im beck-blog aufgrund einer Verschwörung einen algorithmischen Star-Vorschuss erhält, um seine Beiträge an die Spitze zu bringen und dort zu halten. Der Algorithmus wäre dann allerdings schlecht programmiert, weil die Kennzahl „Nutzer online“ außer Acht gelassen wurde. Es können nicht innerhalb weniger Minuten tausende Abrufe bei etwas mehr als 100 Nutzern zustande kommen. Außerdem gibt es in Wahrheit ja keine Verschwörungen, sondern nur Verschwörungstheorien.
  3. Es liegt wohl nahe, dass die Abrufzahlen bei den Beiträgen Hoerens zutreffen und die übrigen Kenndaten und Beobachtungen, auch mit Rücksicht auf ihren zeitlichen Bezug, irgendwie falsch sind. Es kann ja durchaus sein, dass tausende über soziale Medien mobilisierte Studenten auf der Lauer nach Beiträgen von ihm liegen und diese bei Erscheinen sofort abrufen. Der Zähler „Nutzer online“ auf dem beck-blog ist wahrscheinlich kaputt.

Aber wenn es wirklich Erfassungsfehler sind, dann fordern wir als Blogger-Kollegen: „Das muss aufhoeren!“ :)

Anhang

Hier sind noch die Abruf- und Kommentarzahlen für die mindestens ein Jahr alten Beiträge Hoerens im beck-blog:

Beitrag Abrufe Kommentare
89. Jan Delay, die EU-Kommission und der Haß auf das Urheberrecht 6.351 4
88. In eigener Sache: Neue Skripten Internetrecht/IT-Recht kostenlos 6.911 5
87. Der Bundestrojaner: Jetzt muß Schluß sein 9.293 65
86. EuGH und Wettbewerbsliga – neue Ideen zur Internethaftung 5.120 4
85. Unverschämt: Schutzfristverlängerung für Tonaufnahmen 8.283 11
84. Runder Tisch gegen Internetabzocke 15.501 205
83. Musikindustrie: Geheimvereinbarungen über Internetsperren 4.777 19
82. Softwareindustrie als Strandräuber? 4.052 10
81. Das Fernglas im Datenschutzrecht 9.340 11
80. Sind Ebay-Umsätze zu versteuern? 9.614 12
79. Endlich: OLG Frankfurt sieht Internetabofallen als Betrug 7.405 4
78. Deutsche Inkasso und Internetabzocke: Eine Rückmeldung des Kammergerichts 70.193 256
77. Jugendmedienstaatsvertrag und Altersfreigabe im Internet 60.615 76
76. Urheberrecht: Was macht eigentlich Ver.di? 6.853 10
75. Hoeren fordert höheren Schadensersatz für P2P-Piraten 6.308 13
74. In eigener Sache: Skript Internetrecht neu und kostenlos zum Abruf frei 9.587 5
73. Netzneutralität: Ich weiß nicht, was soll es bedeuten … 3.725 10
72. Telefonmarketing und Aidshilfe Dresden 4.122 16
71. OLG Düsseldorf: Freiheit für Zappa-Fans 3.406 1
70. BGH: Tür weit auf für Softwarepatente 13.937 40
69. Google gewinnt – der BGH und Suchmaschinen 4.312 17
68. BGH: Softwareerstellung ist doch Werkvertrag! 4.889 3
67. EuGH erlaubt Googlead 3.541 7
66. In eigener Sache: Skripten kostenlos im Netz 3.176 2
65. Ein Nachruf: Gravenreuth 6.363 26
64. Und Ulla lacht: Nichtanwendung des Zugangserschwerungsgesetzes 6.832 16
63. Landgericht Köln und Strassenfotos 3.173 7
62. Daufaq: mal was zum Schmunzeln 2.294 2
61. EuGH: Gewinnspiele 3.253 1
60. BGH und Biopatente 3.151 3
59. Keine Vorratsdatenspeicherung im UrhG: Frankfurter Eintracht gegen Hamburger Spielverein 5.022 0
58. Ebay zwingt seine Verkäufer zum Betrug 26.809 64
57. Personensuchmaschinen: Erste Verbotsurteile gegen Yasni & Co. 17.532 34
56. Tod den Tagungsbänden 3.234 10
55. EuGH: Urheberrecht und Schutzfähigkeit 5.306 4
54. AG Karlsruhe: Abmahnanwältin Günther – Abzocker zur Erstattung der Kosten verurteilt 14.501 30
53. Infos: Gute Blogs zum Internetrecht 4.282 10
52. Skript Internetrecht neu 5.987 18
51. Thoben, Walsum und die Kraftwerke 4.361 8
50. Der Sommer kommt: Mal was anderes 3.260 1
49. Elmar Brok und die Verfahrensgerechtigkeit 5.044 7
48. Übersetzer streiten vor dem BGH – Dday: 18. Juni 4.312 4
47. VG Wort und Google: Widerspruch gegen Änderung des Wahrnehmungsvertrags einlegen! 7.472 36
46. Bernt Hugenholtz: 95 Jahre Schutzdauer ist zuviel 3.471 1
45. Sperrungspflichten und Transparenzrichtlinie – Die Bundesregierung verstößt gegen Europarecht 9.728 10
44. Neue Form der Abzocke: Connects 2 Content GmbH 30.200 113
43. Hartplatzhelden und das OLG Stuttgart 4.527 12
42. Muß das sein? Börsenverein verklagt Universität Würzburg 3.135 18
41. Kostenlos: Das neue Skript Internetrecht 4.267 5
40. Wieduwilt gut gemacht 11.66 5
39. Google: Die Vereinbarung und ihre Effekte 2.607 4
38. BGH zu Adwords 1.970 6
37. Musikindustrie und Urheberrecht: ein Ende der Ludenmentalität? 2.607 9
36. Unbekannte Nutzungsarten: Fristablauf 31.12! 606 0
35. Ein frohes Weihnachtsfest: Weihnachtsstollen und Datenschutz 901 2
34. von der Leyen und die Internetwirklichkeit 2.889 36
33. Vertragsstrafen bei Compliance: ein Musterschreiben 3.050 3
32. Wikipedia.de verboten 2.807 19
31. BGH: Internationale Zuständigkeit im ECommerce 1.822 9
30. Gegen Google & Co: Track me not 2.467 14
29. LG Hamburg verbietet Google-Bildersuchmaschine 3.136 3
28. In eigener Sache : Skript Internetrecht 3.144 5
27. Der Einbürgerungstest – ist das alles so richtig? 2.090 12
26. Der Fluch des Internet und Frau Ypsilanti 3.907 41
25. Googles neues Zeitungsarchiv 3.075 22
24. 70200 Musiksamples bei der GEMA 1.635 11
23. SKL und Datenmißbrauch 2.667 20
22. Flechsig und die Flatrate 4.160 2
21. Manchmal übertreibt auch Heise: P2P und Hochschulen 2.119 6
20. Rottenneighbor: Es knallt juristisch 15.175 38
19. Europäische Rechtsexperten gegen Verlängerung von Musikrechten 1.990 2
18. Wie ich einmal Heinrich von Pierer irritierte 2.243 0
17. Haftungsklauseln in IT-Verträgen (nicht nur da) – ein Vorschlag 3.663 3
16. Was man von Jurastudenten so als Umfrage bekommt 11.633 58
15. LG Stuttgart und Hartplatzhelden 1.417 0
14. Ohne Worte: EuGH und Piraten 1.154 0
13. Worüber ich mich ärgere: Der offene Brief der Musikindustrie 21.532 131
12. Die neue Richtlinie über unlauteren Geschäftsverkehr und die Impressumspflicht 1.527 1
11. Bundestag verabschiedet neuen Sanktionenkatalog im Immaterialgüterrecht 987 0
10. OLG Düsseldorf: 900 Euro zum 10ten Mal 3.747 22
9. LG Hamburg: Beweiswert von Rasch-Dokumenten 3.021 8
8. OLG Hamm: Namensnennungsrecht bei Programmierern 1.506 5
7. Skript Internetrecht März 2008 2.851 3
6. BVerfG und Online-Durchsuchung 2.471 14
5. Internetversandhandel und neue Verpackungsverordnung 3.364 14
4. Urheberrecht und neue Nutzungsarten – Anwendbarkeit des § 137 l UrhG im Verlagsbereich 2.123 4
3. VG Wort: 50% für Verleger 906 0
2. Wettbewerbsrechtliche Probleme der Online-Antiquariate 1.454 0
1. BGH: Keine Urheberrechtsabgabe für Drucker 1.299 1

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