Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelte heute im Verfahren VII ZR 164/13 über die Wirksamkeit des Baukostenvereinbarungsmodells nach § 6 Abs. 2 HOAI 2009/§ 6 Abs. 3 HOAI 2013.
Dem lag ein von mir durch die Vorinstanzen gesteuerter Rechtsstreit eines Insolvenzverwalters über das Vermögen eines Ingenieurbüros gegen das Land Rheinland-Pfalz zugrunde. Das Ingenieurbüro hatte anlässlich der Planung zweier Brücken für das Leistungsbild ”Objektplanung Ingenieurbauwerke“ ein Angebot des Landes akzeptiert, wonach als Parameter für die Honorarberechnung 56 beziehungsweise 53 % der tatsächlichen anrechenbaren Kosten angesetzt werden sollen. Ich habe unter anderem mit dem Argument, dass das im Verordnungsweg geschaffene Baukostenvereinbarungsmodell mangels gesetzlicher Ermächtigungsgrundlage nichtig sei, das sich aus den tatsächlichen anrechenbaren Kosten ergebende Mehrhonorar eingefordert.
Für das Revisionsverfahren habe ich erneut Herrn Rechtsanwalt beim BGH Dr. Wendt Nassall gewinnen können. Die Gegenseite wurde von Herrn Rechtsanwalt beim BGH Dr. Peter Baukelmann, dem neuen Präsidenten der Rechtsanwaltskammer bei dem Bundesgerichtshof, vertreten. Da es am Bundesgerichtshof in Zivilsachen naturgemäß sehr familiär zugeht, nutzten diese nach der Einführung in den Sach- und Streitstand durch den Vorsitzenden Richter am BGH Prof. Dr. Rolf Kniffka zunächst die Gelegenheit, sich artig bei der neuen Richterin am BGH Christiane Graßnack vorzustellen.
Sowohl das Landgericht Koblenz (Urteil vom 29. November 2012 – 9 O 197/11) als auch das Oberlandesgericht Koblenz (Urteil vom 5. Juni 2013 – 5 U 1481/12) hatten sich um die auch ihnen obliegende Bewertung der Rechtsfrage, ob § 6 Abs. 2 HOAI 2009 durch § 1 des Gesetzes zur Regelung von Ingenieur- und Architektenleistungen gedeckt ist, gedrückt. Diese Rechtsfrage stand nun anders als dort im Mittelpunkt der mündlichen Verhandlung. Der Vorsitzende deutete dabei in seiner Einführung in den Sach- und Streitstand durchaus an, dass an der Wirksamkeit von § 6 Abs. 2 HOAI 2009 Zweifel bestehen könnten. Klare Signale, wie die Sache ausgehen könnte, gab er aber nicht, es wurde also mit wirklich offenem Ergebnis verhandelt. Sollte die Regelung wirksam sein, gebe es auch auf Tatbestandsebene einiges zu klären. Das gilt insbesondere für § 6 Abs. 2 S. 2 HOAI 2009, wo davon die Rede ist, dass bei einer Baukostenvereinbarung ”nachprüfbare Baukosten einvernehmlich festgelegt“ werden. Aus der Tautologie des einvernehmlichen Vereinbarens könnte der Senat dabei eine besondere Anforderung herauslesen, die in Richtung der Rechtsfigur der individuellen Vertragsabrede im Sinn des § 305b BGB gehen könnte. Von einer solchen kann bekanntlich nur gesprochen werden, wenn eine Regelung im Verhandlungsweg tatsächlich zur Disposition gestellt und nicht einfach vorgegeben wird.
Das Oberlandesgericht hatte mir mit einer sehr wackligen, im rheinland-pfälzischen Haushaltsrecht verankerten Begründung Recht gegeben. Mit dieser Begründung wird dessen Urteil zwar nicht zu halten sein. Trotz der wenigen Signale habe ich aber den Eindruck gewonnen, dass der Senat das Urteil im Ergebnis bestätigen wird. Sollte dabei das Baukostenvereinbarungsmodell fallen, wäre das die baurechtliche Sensation der Saison. Anders als die Vorläufervorschrift nach § 4a HOAI 1995 dürften § 6 Abs. 2 HOAI 2009/§ 6 Abs. 3 HOAI 2013 nämlich einige praktische Bedeutung erlangt haben. Für nicht wenige Architekten und Ingenieure besteht daher die Aussicht auf einen unverhofften Geldsegen.
Nachtrag vom 11. April 2014
Mir liegt inzwischen das Sitzungsprotokoll vor, wonach der Senat nach der Beratung lediglich den Beschluss verkündete, dass für den 24. April 2014, 16:00 Uhr, Zimmer H 235, Termin zur Verkündung einer Entscheidung bestimmt wurde. Dass das Endurteil nicht im Anschluss an die Beratung verkündet wird, dürfte beim Bundesgerichtshof selten vorkommen. Es wird nun also wirklich spannend.
Nachtrag vom 25. April 2014
Ich siegte ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 24. April 2014 wirklich. Die Gründe sind immer noch unbekannt. Aber es ist schön, wenn ein Plan funktioniert.
Nachtrag vom 13. Mai 2014
Inzwischen liegt auch die Entscheidungsbegründung vor. Die Sensation ist perfekt. § 6 Abs. 2 HOAI 2009 ist tatsächlich nichtig. Das gilt gleichermaßen für § 4a S. 1 HOAI 1996 und § 6 Abs. 3 HOAI 2013.