De legibus-Blog

30. Juli 2015

Neues Sexualstrafrecht: Prof. Dr. Monika Frommel weiß wieder was

Thomas Fuchs

Der Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz Heiko Maas plant Medienberichten zufolge Verschärfungen im Sexualstrafrecht.

Die mir schon einmal negativ aufgefallene Kriminologin Monika Frommel meint dazu, der Entwurf sei Unsinn. Man müsse nur die geltenden Gesetze richtig anwenden, um das Ziel zu erreichen. Das Problem sei in der Rechtsauslegung durch „einen Nomos-Kommentar“ des „sehr mächtigen“ BGH-Richters Thomas Fischer zu sehen. „Dessen zu enge Auslegung der Frage, was die Ausnutzung einer Notlage bei einer Vergewaltigung sei“, verstoße gegen die Istanbul-Konvention und sei europarechtswidrig. „Es würde völlig reichen, wenn der Justizminister das feststellen würde.“

Solche Worte von einer ehemaligen Direktorin des Instituts für Sanktionsrecht und Kriminologie an der Universität Kiel finde ich durchaus atemberaubend. Sie gehen weit über den schon erstaunlichen Lapsus aus dem Jahre 2011 hinaus. Man weiß gar nicht, wo man anfangen soll. Also am besten der Reihe nach und vom Formellen zum Materiellen:

1. Thomas Fischer kommentiert das „Strafgesetzbuch mit Nebengesetzen“ bekanntlich in Band 10 der Beck’schen Kurz-Kommentare. Wer das nicht weiß und von „einem Nomos-Kommentar“ spricht, setzt sich als Strafrechtswissenschaftlerin dem Verdacht aus, das Werk nie in der Hand gehabt zu haben. Denn schon jeder Student kennt die Unterschiede, die zwischen den Kommentaren aus den Häusern Beck und Nomos bestehen, mögen die beiden Verlage auch miteinander verbandelt sein. Da kann man nichts verwechseln.

2. Der Gedanke, ein Kommentator habe Macht und bestimme durch seine Auslegung die Rechtslage, kann nur einem im Elfenbeinturm gefangenen eitlen Professorenhirn entspringen. Jeder in der Rechtspraxis mit der tatsächlichen Anwendung von Recht Konfrontierte kennt doch die Autoritäten-Hierarchie:

  • In jeder Gerichtsbarkeit hat das jeweilige oberste Bundesgericht das Sagen; gibt es von diesem eine passende Entscheidung, braucht man regelmäßig nicht weiter zu überlegen.
  • Fehlt es an einer solchen Entscheidung, ist es auch in Ordnung, sich auf ein oberes Gericht der Bundesländer zu stützen.
  • Nur wenn man ganz verzweifelt ist, zitiert man ein Gericht der Eingangsinstanz.

Kommentare haben in dieser Betrachtung eigentlich keinen Platz. Sie kommen natürlich trotzdem vor, nämlich als Orientierungshilfe. Man kann sich mit ihrer Hilfe schnell in eine Rechtsmaterie einlesen, Entscheidungsfundstellen auffinden und es, wenn man dort nicht nachlesen kann oder will, es auch schnell bei einem Zitat des dorthin verweisenden Kommentars belassen. Es ist freilich möglich, dass der Kommentator eigene Gedanken entwickelt. Und wenn der Kommentator zugleich Bundesrichter ist, weiß man, dass auch dessen Meinung einmal einen Versuch wert ist. Aber dafür ist dann ein langer Atem nötig.

3. Der Gipfel ist für mich aber die Bemerkung, Heiko Haas brauche der Justiz nur einmal Bescheid zu geben. Nicht einmal in der DDR war der Justizminister befugt „festzustellen“, dass eine Rechtsprechung falsch sei. Dort erließ allenfalls das Oberste Gericht solche Auslegungshilfen. Wer so etwas als Rechtswissenschaftlerin von sich gibt, ist juristisch nicht mehr satisfaktionsfähig.

Zitiervorschlag für diesen Beitrag:
https://blog.delegibus.com/4243

Rückverweis URL