De legibus-Blog

29. September 2013

Gesetzgeberischer Murks bei der Verstümmelung weiblicher Genitalien

Thomas Fuchs

Wenn ich mir Art. 3 Abs. 3 S. 1 Var. 1 GG, wonach niemand wegen seines Geschlechtes benachteiligt oder bevorzugt werden darf, mit Blick auf die Vorschriften über die Beschneidung des männlichen Kindes nach § 1631d BGB und über die Verstümmelung weiblicher Genitalien nach dem gestern in Kraft getretenen § 226a StGB betrachte, komme ich nicht umhin, eine oder beide als offensichtlich verfassungswidrig anzusehen. Der kleine Unterschied zwischen Männlein und Weiblein kann meines Erachtens, auch wenn ich mir damit den heiligen Zorn von Oliver García zuziehe, von Verfassungs wegen nicht als wesentlich angesehen werden. Punkt.

Als Konsolidierer interessiert mich aber weniger der gesetzgeberische Murks im Großen als der im Kleinen. Mit dem Siebenundvierzigsten Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Strafbarkeit der Verstümmelung weiblicher Genitalien (47. Strafrechtsänderungsgesetz – 47. StrÄndG) vom 24. September 2013 (BGBl. I 2013 S. 3671) wurden auch Folgeänderungen in der Strafprozessordnung vorgenommen. Es war dem Gesetzgeber ein Anliegen, dass weibliche Opfer der Genitalverstümmelung in Genuss der Vorteile nach § 397a Nr. 4 StPO 2011 kommen sollen. Dem Nebenkläger war nach dieser Vorschrift auf seinen Antrag ein Rechtsanwalt als Beistand zu bestellen, wenn er durch eine bestimmte rechtswidrige Tat verletzt ist und er bei Antragstellung das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder seine Interessen selbst nicht ausreichend wahrnehmen kann. Der dortigen, hier nicht wiedergegebenen Auflistung der rechtswidrigen Taten sollte dabei nach Art. 2 Nr. 2 Buchst. b des 47. Strafrechtsänderungsgesetzes mit der Ersetzung der Angabe „225, 226“ durch die Angabe „225 bis 226a“ auch die Verstümmelung weiblicher Genitalien hinzugefügt werden.

Aber es kam trotz Inkrafttretens dieser Regelung am 28. September 2013 anders. Mit den Artt. 1 Nr. 10 Buchst. a Doppelbuchst. bb, 8 Abs. 1 des Gesetzes zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs (StORMG) vom 26. Juni 2013 (BGBl. I 2013 S. 1805) wurde § 397a Nr. 4 StPO 2011 mit Wirkung zum 1. September 2013 durch eine neue Fassung ersetzt, welche die Angabe „225, 226“ nicht mehr enthält. Aus dem bisherigen § 397a Nr. 4 StPO 2011 wurde nach Art. 1 Nr. 10 Buchst. a Doppelbuchst. cc des Gesetzes zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs der neue § 397a Nr. 5 StPO 2013. In diesem wurde dabei aber die Angabe „225,“ gestrichen. Seit dem 1. September 2013 sind in § 397a Nr. 4 StPO als rechtswidrige Taten also die

§§ 174 bis 182 und 225 des Strafgesetzbuchs“

und in § 397a Nr. 5 StPO die

§§ 221, 226, 232 bis 235, 237, 238 Absatz 2 und 3, §§ 239a, 239b, 240 Absatz 4, §§ 249, 250, 252, 255 und 316a des Strafgesetzbuches“

aufgeführt. Die Änderungsanweisung des Art. 2 Nr. 2 Buchst. b des 47. Strafrechtsänderungsgesetzes kann damit – auch nach teleologischer (analoger?) Auslegung – auf keine der beiden Vorschriften angewendet werden.

Bis auf Weiteres werden also auch weibliche Opfer der Genialverstümmelung keinen Rechtsanwalt als Beistand bestellt bekommen können. Damit herrscht wenigstens insoweit Gleichheit vor dem Gesetz.

Zitiervorschlag für diesen Beitrag:
https://blog.delegibus.com/3709

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