De legibus-Blog

16. Oktober 2011

Ungeeignete Senatsvorsitzende am BGH: Wenn Richter befremdet sind

Oliver García

Armin Nack („BGH-Nack“) ist ein Richter, der offenbar leicht zu befremden ist. Wehe dem, der bei dem Vorsitzenden des 1. Strafsenats des BGH das Befremden ausgelöst hat, etwa durch mangelnde Bravheit und Anpassung! Die Wucht eines solchen Befremdens brachte den Münchener Strafverteidiger Stephan Lucas wegen Strafvereitelung auf die Anklagebank. Und sie hat auch das Zeug dazu, den Richter am BGH Thomas Fischer („Fischer“, früher „Tröndle/Fischer“) um eine Beförderung zum Vorsitzenden des 2. Strafsenats zu bringen. Ja, der Bannstrahl des Nack’schen Befremdens könnte sogar die Auslöschung des 2. Strafsenats bewirken.

Im Fall Lucas hatte die Augsburger Staatsanwaltschaft eine Anklage wegen versuchter Strafvereitelung erhoben, weil Nack und sein Senat über einen Schriftsatz befremdet waren. Sie witterten Lüge und Trickserei. Doch bei genauerem Hinsehen stellte sich die Frage, ob es nicht der 1. Strafsenat war, der getrickst hatte, zumindest in krasser Weise den grundrechtsgleichen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt hatte. Jedenfalls kennt sich Nack mit Trickserei zu gut aus, um nicht hellhörig zu werden, als BGH-Kollege Fischer in seinem Aufsatz „Ein Jahr Absprache-Regelung: Praktische Erfahrungen und gesetzlicher Ergänzungsbedarf“ (ZRP 2010, 249) eine Entscheidung des 1. Strafsenats ansprach. In dem Fall hatte ein Strafverteidiger Revision eingelegt und – gemäß seiner Ankündigung im Rahmen einer Absprache mit Gericht und Staatsanwaltschaft – sie weniger als eine Stunde später wieder zurückgenommen, um das Urteil rechtskräftig werden zu lassen. Fischer bezeichnete dies als das, was es war: Eine Umgehung des Gesetzes, nämlich von § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO, wonach ein Rechtsmittelverzicht nach einer Verständigung ausgeschlossen ist. Der Nack’sche Senat hingegen hatte diese Vorgehensweise durch Beschluß vom 14. April 2010 – 1 StR 64/10 – durchgewunken.

Fischer kommentierte in diesem Zusammenhang zu Recht:

„Dass Richter auf die Erfindung von Bauernschläue geprägter Tricks stolz sind, welche den – hier wohl unstreitig eindeutigen – Willen des Gesetzgebers ins Leere laufen lassen sollen, ist fast beschämend; es ist auch kaum geeignet, das Ansehen der Justiz zu mehren.“

Fischer hatte zwar nicht den BGH-Kollegen Bauernschläue attestiert (in den gebrachten Beispielen ging es um den Erfindungsreichtum der Instanzgerichte), doch dürfte der Beitrag bei dem Trickserei-erprobten Nack einen Nerv getroffen und ihn wieder einmal befremdet haben. Die Annahme liegt nicht fern, daß er sich beim Gerichtspräsidenten Tolksdorf über Fischer beschwert hat, im Blick auf die anstehende Ernennung eines neuen Vorsitzenden des 2. Strafsenats. Diese Annahme ist auch eine der Hypothesen in Sabine Rückerts lesenswerter Reportage in der ZEIT über den plötzlichen Versuch des BGH-Präsidenten, Fischers Beförderung zu verhindern und Fischers ungewöhnliche Reaktion, vor den Verwaltungsgerichten dagegen vorzugehen.

Nachtrag vom 27. September 2014

Thomas Fischer, später doch noch zum Vorsitzenden Richter am BGH befördert, schrieb in einer Fußnote eines Ende September 2014 veröffentlichten Beitrags:

Ob dieses [vom 1. Strafsenat gutgeheißene] Modell der Gesetzesumgehung als „Fischbachauer Theorie“ beschrieben werden sollte, ist streitig. Wer es als das kritisierte, was es war, dem wurde jedenfalls im Jahr 2010 bescheinigt, er sei aus sozialen Gründen ungeeignet zum Vorsitz eines Revisionssenats.

Zitiervorschlag für diesen Beitrag:
https://blog.delegibus.com/1664

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