Die Staatsgewalt wird nach Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG unter anderem durch Organe der Rechtsprechung ausgeübt. Unabänderlicher Maßstab der Rechtsprechung ist hierbei nach den Artt. 20 Abs. 3, 79 Abs. 3 GG das Rechtsstaatsprinzip. Im Mittelpunkt unseres von den Gerichten befriedeten Gemeinwesens steht also das Recht. Von allgemeiner Bedeutung ist dabei nicht das in imposanten Gerichtsgebäuden „gesprochene“, sondern das geschriebene, also schriftlich fixierte und veröffentlichte Recht. Macht wird gemeinhin mit Form betont. Es wäre also zu erwarten, dass die von der rechtsprechenden Gewalt produzierten Rechtstexte typografischen Anforderungen genügen. Mit der Typografie werden Inhalt, Zweck und Anmutung eines Werkes verdeutlicht. Sie unterstützt die Aussage des Textes visuell, wobei die optimale Lesbarkeit immer an erster Stelle steht. US-amerikanische Gerichte haben das schon lange begriffen. Als Beispiel sei eine beliebige Entscheidung des Obersten Gerichtshofs der Vereinigten Staaten (Sears v. Upton, 561 U. S. […] [2010]) herausgegriffen. Man geht dort sogar noch einen Schritt weiter und unterwirft nach Regel 33 der Geschäftsordnung des Obersten Gerichtshofs der Vereinigten Staaten die Eingaben der Streitparteien strengen typografischen Maßgaben. Sind diese nicht eingehalten, wird die betreffende Eingabe nach Regel 15.1 der Geschäftsordnung unter Angabe des Mangels zurückgewiesen (es gibt deshalb sogar Unternehmen, die „Law Briefs“ typografisch gestalten, zum Beispiel die Cockle Law Brief Printing Co.). Ich bin der Auffassung, dass der Achtungsanspruch des Rechts auf diese Weise eindrucksvoll unterstrichen wird. Es ist zudem ein ästhetisches Vergnügen, diese Texte zu lesen. Das, was unsere obersten Gerichtshöfe in typografischer Hinsicht abliefern (zum Beispiel der Bundesgerichtshof und das Bundesverwaltungsgericht), ist im Vergleich dazu ein einziges Geschmiere.
22. Januar 2011
Typografie und rechtsprechende Gewalt
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