De legibus-Blog

10. Februar 2013

Der heilige Bund zwischen dem Bundesverfassungsgericht und der juris GmbH

Thomas Fuchs

Und der HERR sprach: Siehe, ich will einen Bund schließen: Vor deinem ganzen Volk will ich Wunder tun, wie sie nicht geschehen sind in allen Landen und unter allen Völkern, und das ganze Volk, in dessen Mitte du bist, soll des HERRN Werk sehen; denn wunderbar wird sein, was ich an dir tun werde [2. Mose 34, 10]. […] Und er war allda bei dem HERRN vierzig Tage und vierzig Nächte und aß kein Brot und trank kein Wasser. Und er schrieb auf die Tafeln die Worte des Bundes, die Zehn Worte [2. Mose 34, 28].

Ein ebenso verheißungsvoller Bund wie zwischen Gott, dem HERRN, und dem Volke Israel muss auch auch zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der juris GmbH bestehen, denn diese bezeichnen ihren Vertrag über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der automatisierten Rechtsdokumentation salbungsvoll als „Bundesvertrag“ (Hubert Weis, Gutachten: Verfassungsrechtliche Fragen einer weiteren Privatisierung der juris GmbH (Teil I, Teil II); Jahresabschluss der juris GmbH zum 31. Dezember 2009; VG Köln, Urteil vom 26. Mai 2011 – 13 K 5747/07).

Dieser „Bundesvertrag“ ist, wie bereits berichtet, Gegenstand von Klagen der Recht für Deutschland GmbH und der LexXpress GmbH gegen die Bundesrepublik Deutschland. Beide wurden inzwischen erstinstanzlich abgewiesen, wobei aber jeweils wegen grundsätzlicher Bedeutung die Berufung zugelassen und eingelegt wurde.

Im Fall der Recht für Deutschland GmbH, welche eine Gleichbehandlung mit der juris GmbH hinsichtlich von Gesetzen und Rechtsverordnungen erstrebt, erfolgte die Abweisung mit der Begründung, dass die Bundesrepublik Deutschland der juris GmbH die für die Bundesrechtsdatenbank bestimmten Gesetzestexte nicht zu Weiterverwendung, sondern zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben zur Verfügung stelle (VG Köln, Urteil vom 26. Mai 2011 – 13 K 5747/07, Rdnr. 38, 39—56). Diese Begründung ist für mich im Ansatzpunkt durchaus nachvollziehbar, denn auch ich rechne die Rechtsdatenbank „juris“ der Bundesrepublik Deutschland zu und sehe die juris GmbH als bloße Verwaltungshelferin an (Thomas Fuchs, Die Weiterverwendung der gemeinfreien Rechtsdatenbank „juris“, S. 10—14). Allerdings verkennt das Gericht die Doppelstellung der juris GmbH, nämlich einerseits als Erfüllungsgehilfin zur technischen Durchführung und andererseits als eigenständige Marktakteurin.

Die LexXpress GmbH strebt demgegenüber im Rahmen eines Testballons nur eine Gleichbehandlung mit der juris GmbH bei der Versorgung mit Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts an. Deren Klage wurde mit der angesichts der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eher fragwürdigen Begründung zu Fall gebracht, dass die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts urheberrechtlichen Schutz genössen, wenn sie mit von den Fachdokumentaren des Gerichts erstellten Orientierungssätzen versehen seien (VG Karlsruhe, Urteil vom 3. November 2011 – 3 K 2289/09, Rdnr. 13, 33—36). Amtliche Werke sind nämlich die aus einem Amt herrührenden Werke. Ein Amt ist jede mit Verwaltungskompetenz und Hoheitsbefugnissen betraute Behörde oder beliehene Institution. Dazu zählen auch Körperschaften des öffentlichen Rechts. Das Werk rührt aus einem Amt her, wenn es erkennbar von ihm zu verantworten oder ihm zuzurechnen ist. Das ist dann der Fall, wenn das Werk von irgendeinem Bediensteten oder von irgendeinem Amt hinzugezogenen Privaten geschaffen wurde. Der Private muss aufgrund vertraglicher Vereinbarung mit einem Amt eine Aufgabe, etwa die Veröffentlichung bestimmter Informationen, erfüllen, die andernfalls das Amt unmittelbar erfüllen müsste (BGH, Urteil vom 12. Juni 1981 – I ZR 95/79 – WK-Dokumentation, Rdnr. 33, 34; BGH, Urteil vom 30. Juni 1983 – I ZR 129/81 – VOB/C, Rdnr. 19; BGH, Urteil vom 9. Oktober 1986 – I ZR 145/84 – AOK-Merkblatt, Rdnr. 19, 20; BGH, Urteil vom 26. April 1990 – I ZR 79/88 – DIN-Normen, Rdnr. 17; BGH, Urteil vom 21. November 1991 – I ZR 190/89 – Leitsätze, Rdnr. 47, 51, 52; BGH, Beschluss vom 28. September 2006 – I ZR 261/03 – Sächsischer Ausschreibungsdienst, Rdnr. 13; BGH, Urteil vom 30. April 2009 – I ZR 191/05 – Elektronischer Zolltarif, Rdnr. 31). Die Arbeit der Fachdokumentare des Bundesverfassungsgerichts ist selbstverständlich diesem zuzurechnen und von diesem zu verantworten.

Mit einer am 2. September 2011 vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe parallel erhobenen vergaberechtlichen Klage begehrt die LexXpress GmbH von der Bundesrepublik Deutschland ferner, es zu unterlassen, den „Bundesvertrag“ (Verfassungsrecht) vom 26. Mai/19. Juni 1992 zu vollziehen, solange kein ordnungsgemäßes Auswahlverfahren des Vertragspartners stattgefunden hat. In diesem Verfahren forderte das Verwaltungsgericht die Bundesrepublik Deutschland bislang erfolglos auf, die zugehörigen Behördenakten vorzulegen. Diese berief sich darauf, die Vorlage dieser Unterlagen sei nicht entscheidungserheblich und müsse auch mit Blick auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse unterbleiben. Einem Beschluss vom 16. Januar 2013 ist zu entnehmen, dass dem Gericht angesichts dieses Arkanverhaltens nunmehr der Kragen geplatzt ist. Der speziell das Bundesverfassungsgericht betreffende Vertrag stehe zwar im Zusammenhang mit den Verträgen vom 12./27. Dezember 1991 und vom 18. Januar/5. Februar 2001, welche dem Gericht mittlerweile vorlägen, weil sie als Anlage zu meinem Aufsatz abrufbar seien. Unklar sei jedoch, in welchem Verhältnis der Vertrag vom 26. Mai/19. Juni 1992 zu diesen Verträgen stehe und hier insbesondere, ob sich die dortige Vergütungsregelung auch auf den hier streitgegenständlichen Vertrag beziehe. Der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesverfassungsgericht, wurde deshalb aufgegeben, dem Gericht den „Bundesvertrag“ vom 26. Mai/19. Juni 1992 vollständig und in nichtanonymisierter sowie ungeschwärzter Form vorzulegen (VG Karlsruhe, Beschluss vom 16. Januar 2013 – 3 K 2352/11).

Für mich als an den diversen Verfahren nicht Beteiligten deutet sich damit ein erster Teilerfolg für die LexXpress GmbH an.

Zitiervorschlag für diesen Beitrag:
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